DOPING? DIE DOPING-DEBATTE HAT ÖSTERREICH WARUM SEIT DER NORDISCHEN WM IN SEEFELD FEST IM GRIFF. UND ÜBER JEDER DIS- KUSSION STEHT DIE FRAGE: WARUM GREIFEN SPORTLER ZU VERBOTENEN MITTELN? WIR HABEN FÜNF TOP- INSIDER UM IHRE MEINUNG GEBETEN. VON MARKUS GEISLER In den 80er- und 90er-Jahren sorgte die Untersuchung des amerikanischen Wissenschafters Ben Goldman für Aufsehen, der durch Umfragen herausfand, dass 50 Prozent der Leistungssportler bereit wären, innerhalb der nächsten fünf Jahre zu sterben, wenn ihnen die Einnahme von Dopingmitteln eine olympische Goldmedaille sichern würde. Eine krasse Zahl? Oder doch eine logische Folge sportlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen? Wir haben fünf Top-Insider befragt, was ihrer Meinung nach das Hauptmotiv für Sportler ist, mittels Doping zu betrügen und dabei ihre Gesundheit und Karriere zu riskieren. Und dabei spannende wie überraschende Antworten erhalten. STEFAN MATSCHINER EHEMALIGER DOPINGDEALER „Athleten haben im Teenageralter Spaß am Sport und sind in den Nachwuchsklassen erfolgreich. Mehrmaliges Training pro Woche bis hin zum täglichen Training wird als positiv empfunden. Natürlich sieht man sich die Erwachsenen und deren Leistungen, bei den Besseren auch deren Ruhm und vielleicht das Einkommen an. Es entsteht langsam das Verlangen, zu einem späteren Zeitpunkt auch zu diesem elitären Kreis zu gehören. Training wird gegen Ende der Teenjahre immer wichtiger und der Sport an sich nimmt langsam DEN bestimmenden Stellenwert im Leben ein. Bis dahin war die Leistungsentwicklung in Ordnung, nun, in der allgemeinen Klasse angelangt, geht es nicht mehr so schnell mit den Leistungssprüngen und Stagnation tritt ein. Der Sportler (auch für Frauen gültig!) ist in Begriff, Kaderstandards nicht mehr zu erreichen und steht somit einer Kürzung der finanziellen Unterstützungen gegenüber. Anstatt zu begreifen, dass hier Schluss ist, besorgt er sich Dopingmittel ... Und die richtige Scheiße beginnt!“ Fotos: xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx 146 SPORTaktiv
Fotos: GEPA pictures, Albert Moser, iStock JÖRG ZEYRINGER SPORTPSYCHOLOGE, AUTOR „Das Hauptmotiv für Profisportler könnte eine Sehnsucht nach Unsterblichkeit sein. Gewinner denken: Ich bin dafür geboren, ganz oben zu stehen. Und ich bin bereit, alles dafür zu geben, es zu schaffen. Die hohen Quoten bei Goldman kommen dadurch zustande, dass diese Sportler so sozialisiert werden, dass die sportliche Leistung immer Priorität hat. Das sehe ich auch heute beim Blick in so manche Nachwuchsakademie. Da erlauben sich Schüler Dinge, die man nicht für möglich hält. Aber solange die Leistung passt, spielt das keine Rolle. Die erleben, dass sie sich mit besonderen Leistungen über Grenzen und Regeln hinwegsetzen können. Dann greift ein Automatismus: Wie kann ich besser werden, mich optimieren, um zu gewinnen? Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt von Nahrungsergänzungsmitteln zu verbotenen Substanzen. Eine entscheidende Frage, die sich die meisten Sportler – bewusst oder unbewusst – stellen: Bin ich gut genug, um das zu leisten, was ich und mein Umfeld von mir erwarten? Gut genug, um zu siegen? Wer dies mit einem überzeugten Ja beantwortet, ist weniger in der Versuchung zu dopen. Wer unsicher ist, zweifelt, ist anfällig, erst recht, da Sportler in einem System leben, das ständige Optimierung als oberstes Ziel hat. Wir reden von Menschen, die dem Sport höchst emotional verbunden sind. Wir wissen, dass man im Zustand höchster emotionaler Erregung oft nicht in der Lage ist, kluge Entscheidungen zu treffen. Dann fällt es diesen Sportlern oft schwer, an die negativen Folgen zu denken, die ihr Handeln in drei Monaten oder in fünf Jahren haben könnte. Denn diese Typen bewerten das Gewinnen emotional wesentlich höher als die Angst vor möglichen Verlusten.“ MICHAEL CEPIC GESCHÄFTSFÜHRER NADA „Die Motive sind sehr vielfältig, meist ist es eine Kombination aus vielen unterschiedlichen Beweggründen. Klar ist aber, dass kein Sportler seine Karriere mit den Gedanken an Tabletten und Spritzen beginnt. Vielmehr wurden über einen längeren Zeitraum durch unterschiedlichste Einflüsse die vorhandenen Hemmschwellen schrittweise abgebaut. Rückblickend betrachtet, haben die meisten dopenden Sportler mit Nahrungsergänzungsmitteln begonnen, es folgten Schmerzmittel, später kamen Suchtmittel dazu, dann wurden Produkte gespritzt und irgendwann war in der Spritze keine legale Substanz mehr, sondern ein Dopingmittel. Das Unrechtsbewusstsein ist dann meist nicht mehr vorhanden.“ SPORTaktiv 147
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