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SPORTaktiv August 2018

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TRAILRUNNING HAT NICHT

TRAILRUNNING HAT NICHT ZWINGEND MIT HOHEN BERGEN UND LANGEN DISTANZEN ZU TUN. DAFÜR SEHR VIEL MIT WAHRNEHMUNG UND SPÜREN. SO GELINGT JEDEM DER EINSTIEG. VON CHRISTOF DOMENIG SPÜRSINN EINSCHALTEN Foto: Löffler 52 SPORTaktiv

Wie viele kam Gerhard Schiemer über den Straßenlauf zum Laufen im Gelände. Ursprünglich 10-km-Wettkämpfer, verlegte er sein Training mehr und mehr in die Wälder. Über „kurze, knackige“ Bergläufe fand er zu den genretypischen Ultratrail-Distanzen – in einer Zeit, als es erst einen Bruchteil der heutigen Events gab. Mit seinen Erfolgen schaffte es der Niederösterreicher ins Nationalteam und zur WM-Teilnahme 2015 in der jungen Sportart Trailrunning. Einerseits war es die entspannte Szene bei den Berg- und Trailläufen, die ihn anzog. Andererseits ist Trailrunning für Schiemer viel mehr als bloß Laufen auf naturbelassenem Untergrund und in einer erstaunlich lockeren Wettkampfatmosphäre. Das vermittelt er auch in Kursen, in denen er die Trailrunning- Basics Einsteigern näherbringt. Erfahre dich selbst Wofür steht also Trailrunning? Starten wir bei einem häufigen Missverständnis: Trailrunning braucht weder Berge vor der Haustür noch ultralange Distanzen. Sehr viel hat Trailrunning dafür mit „Wahrnehmung“ zu tun, meint Schiemer. „Mit dem Wahrnehmen von unendlich vielen Kleinigkeiten“, die sich in der Natur genauso wie in einem selber finden. „Eindrücke wechseln ständig und die Aufmerksamkeit wird permanent beansprucht. Wo trete ich hin? Wie fühlt es sich an, wenn ich nicht sicher bin, ob ein Stein unter mir rutscht oder nicht?“ Die Fähigkeit, sich selbst wahrzunehmen gehe in stressigen Zeiten oft verloren, sagt Schiemer – beim Traillaufen könne man diese wieder finden, und Vertrauen zu sich selbst schöpfen. Typisch: Die Lage im Raum, wo sich der eigene Körperschwerpunkt befindet – das ist ein zentrales Thema für den Sportwissenschafter. TECHNIK-TIPPS Was Gerhard Schiemer rät und in seinen Kursen vermittelt: BERGAUF-LAUFTECHNIK mit sehr kleinen Schritten und hoher Frequenz laufen mit den Fußballen aufsetzen Grund-Körperspannung so gut wie möglich halten ausbalancierten Körperschwerpunkt finden: Wenn man bei jedem Schritt ein kleines Stück zurückrutscht, stimmt wahrscheinlich der Körperschwerpunkt nicht BERGAB-LAUFTECHNIK mit kleinen, kontrollierten Schritten laufen am Ballen aufsetzen, nicht auf der Ferse nicht zurücklehnen, sondern mit dem Körper vorne bleiben auf steinigen Wegen von Stein zu Stein treten – mit der Zeit entwickelt man ein Gefühl dafür, ob ein Stein wegrutscht oder nicht bergab in Intervallen trainieren: 1 min zügig und 1 min Erholung im Wechsel, damit sich die Muskulatur erholen und an die Belastung gewöhnen kann STOCKTECHNIK Bergauf kommt situationsabhängig eine Doppelstock-, versetzte Doppelstock- oder Diagonaltechnik zum Einsatz bergab Stöcke eher zum Bremsen und zur Gelenksschonung einsetzen Zum Wahrnehmen gehört auch die Blickführung. Im Normalfall wandert der Blick drei bis vier Meter am Trail voraus, scannt permanent die Strecke und den Untergrund, bleibt bei kniffligen Passagen kurz haften und schweift dann gleich wieder nach vorne. Zu all dem kommt auch das „Erkunden“, erklärt Gerhard Schiemer – das Spiel mit dem Ungewissen: „Nicht zu wissen, wo ein Wegerl hinführt, das ich grad entdeckt habe. Oder auch nicht, wie lange ich heute unterwegs sein werde.“ Beim Straßenlaufen stehen Distanz, Weg und Tempo meist ja schon beim Schuhebinden fest. Beim Trailrunning solle man sich bewusst auf die Ungewissheit einlassen. Wenn man dann einmal etwas länger als geplant unterwegs ist, dann soll man ruhig auch einmal Durst spüren dürfen – auch wenn diesen Tipp Ernährungsmediziner vielleicht nicht so gern hören werden: „Man muss nicht immer drei Trinkflaschen mithaben.“ Zumindest, solange man in Zivilisationsnähe läuft und sich nicht im alpinen Gelände befindet. „Dieses Spiel mit dem Ungewissen erzeugt viele kleine Kitzel, die in unserer gesättigten Gesellschaft sonst fehlen“, resümiert Schiemer – ein Grund mehr, warum Trailrunning so gut in unsere Zeit passt. Wege und Ausrüstung Unsere Zeit? Ist bekanntlich auch eine, in der viele in Städten leben. Um sich vom Läufer zum Trailrunner weiterzuentwicklen, muss man sich auch als Städter nicht ins Auto setzen und auf dem Weg in die Natur CO₂ und Stickoxide in die Luft blasen. Größere Parks wie jene in Wien eignen sich mit ihren vielen kleinen Verbindungswegen blendend zum Traillaufen. In praktisch jeder österreichischen Stadt gibt es grüne Oasen, Wälder, Hügel und Naturwege in SPORTaktiv 53

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