BIKEGUIDE WIE HAT DAS MIT DEM MOUNTAINBIKEN EIGENTLICH ANGEFANGEN? In den 1970er-Jahren in Marin County, Kalifornien. Und in der Gruppe! Jürgen Pail, intimer Kenner der Mountainbikeszene und Obmann des Bikeclubs Giant Graz-Stattegg, spannt den Bogen vom Damals ins Heute, um sich dem Phänomen „Biken in der Gruppe“ anzunähern. IM RUDEL – WIE SONST? FOTO: Bernd Gruber TEXT: Jürgen Pail 18 SPORTaktiv-BIKEGUIDE 2016
Als die Heroes der ersten Mountainbike-Stunde, wie Gary Fisher und Joe Breeze, in den 1970er-Jahren die Clunker- Bikes aus den 1920ern wiederbelebten und damit über staubige Bergstraßen des Marin County in Kalifornien bretterten, stand der Spaß an der Freud im Mittelpunkt. Und Spaß haben geht eigentlich nur in der Gruppe gut. Nachdem die Bikes Gewichte jenseits der 20 Kilo auf die Waage brachten, ergab sich die Gruppe von selbst: einen Pick-up hinten vollgemacht mit Bikes und Bikern und rauf auf den Berg. Shutteln nennt man das bis heute. Mit der Weiterentwicklung der Downhillbikes und vor allem, seit sich der Enduroboom zu einem stabilen Trend verfestigt hat, werden Berge ohne Aufstiegshilfen zunehmend wieder nach der alten 70er-Jahre-Methode aus dem Marin County erklommen. Und damit sich der Shuttle auszahlt – natürlich in der Gruppe! ÜBER DEN GROSSEN TEICH An der Wiege der radsportlichen Evolution von der Straße ins Gelände und vom Asphaltschlitzer zum Stollenreifen stand also eine Gruppe von Leuten, die sich möglicherweise unter Verwendung von bewusstseinserweiternden Substanzen (1970er, Kalifornien!) den Berg hinunterschmissen und dabei ihre Gaudi hatten. Mit zehn Jahren Verzögerung kam dann das Bergradl über den großen Teich auch nach Europa und Österreich. Die inzwischen zu Geschäftsleuten mutierten Bikehippies pumpten das neue Spielzeug marketingtechnisch auf und die Sportlichen der Alpenbewohner fuhren darauf voll ab. Es entstand eine verschworene Gemeinschaft: die Mountainbiker! Besonders in Österreich blieb ein Großteil der Rennradfahrer aber bei den schmalen Pneus. Und so rekrutierten sich die angehenden Bergbiker vor allem aus Bewegungshungrigen, die Gestartert wurde die bikende Tourismusbewegung mit Etappenfahrenden Männerpartien reinsten Wassers: gestandene Kerle, flüchtig vor daheim, konditionell unerschütterlich und trinkfest. aus anderen Sportarten zum Biken kamen. Diese nahmen ihre Geselligkeit zum Beispiel vom Skifahren zum Bergradln mit und bildeten anfangs meist reine Herrenrunden, die sich zu Ausfahrten trafen. Wie immer bei der Entstehung neuer Sportarten war das Leistungsniveau der Ausübenden am Beginn nicht sehr unterschiedlich. Die Gruppen waren also sowohl in Bezug auf ihr Tempo als auch hinsichtlich ihres „Einkehrverhaltens“ in diverse Hütten und Gaststätten ziemlich homogen. Was den Hippies im Marin County ihr Joint war, kam im Alpenland als Bier mit Enzian daher. Die Wirkungsweise erwies sich als zwar autochthon älplerisch, zeitigte aber durchaus vergleichbare Ergebnisse. Bis heute bildet diese Art des Mountainbikens trotz aller technischen Weiterentwicklung (und der Einführung des alkoholfreien Bieres als bikerisches Standardgetränk) das mengenmäßige Rückgrat der Mountainbikebewegung. Ausfahrtsrunden – nicht mehr nur männlich, sondern zunehmend auch rein weiblich –, deren Mitglieder sich als Tourenbiker und -innen verstehen, prägen nach wie vor das Bild des typischen Hobbybikers. WEGE IN DEN BIKERHIMMEL Hand in Hand mit der Bikeindustrie, wurden die Mountainbiker in ihrem Zugang zum Sport immer professioneller. Es bildeten sich auch verschiedene Vorlieben und Spezialisierungen heraus, die in dem heute überhand nehmenden Wirrwarr an technischen Standards gipfelten. Kurzum: Vorbei war es mit den Mountainbikern als homogener Gruppe! Diejenigen Biker, die immer mehr und besser trainierten, lösten sich alsbald von ihren gesellschaftlich orientierten Ausfahrtsgenossen und stiegen in die schnell wachsende Hobby-Rennszene ein. In 19
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