RUN SPECIAL LIVE DABEI SERIE AUF DER HIMMELS- LEITER KURZE DISTANZ, EXTREMER ANSTIEG: Das macht Vertical-Rennen aus. Das in Courmayeur im italienischen Aostatal startende „X-Bionic Mont Blanc Skyrace“ zählt dabei zu den brutalsten seiner Art in Europa. SPORTaktiv-Redakteur Klaus Höfler gab sich im letzten Jahr diesen Härtetest – und fasst zusammen, was er auf der „Himmelsleiter“ erlebte. TEXT: Klaus Höfler 108 SPORTaktiv
FOTOS: X-Bionic Mont Blanc Skyrace, Klaus Höfler Irgendwann verbietet man sich den Blick nach oben. Die Augen krallen sich stattdessen in den Kniekehlen des Vordermanns fest. Immer steiler stellt sich die Almwiese vor einem auf. Es scheint, als wolle sie zur senkrechten Wand anwachsen. Immer tiefer sinkt der Oberkörper über die Knie. Immer stärker wird das Ziehen in den Waden. Es scheint, als würde die Ferse bald überhaupt keinen Bodenkontakt mehr bekommen. Immer heftiger wird das Schnaufen, Stöhnen und Hecheln rund um einen. Es scheint, als würde nicht nur ich den Puls längst in den roten Bereich hochgeschraubt haben. Die sanften Kuppen auf den ersten beiden Kilometern nach dem Start in Courmayeur sind nur die Vorspeise für das, was auf den weiteren neun Kilometern des „X-Bionic Mont Blanc Skyrace“ wartet. Es gilt in der kleinen, aber hochambitionierten Szene, die beim Laufen Steilhänge bevorzugt und auf Bergabstrecken verzichtet, als das härteste Skyrace Europas: Auf nur elf Kilometern Länge geht es auf der Südseite des mächtigen Gebirgsmassivs von 1.224 Meter Seehöhe rauf auf 3.466 Meter. Mehr als 2.200 Höhenmeter auf der Distanz eines gemütlichen Frühstücklaufs. Und die Strecke hält, was die Zahlen versprechen. DIE PERLENSCHNUR NACH OBEN Schon kurz nach den letzten Häusern verwandelt sich der Forstweg in einen engen Steig. Er führt durch einen Schutzwald und später auf eine Alm, die aufgrund ihres eindrucksvollen Gefälles jede Bergbauernförderung der höchsten Kategorie verdient. Schnell hat sich das Teilnehmerfeld auseinandergezogen. Wie eine Kette aus farbenfrohen Perlen legt sich die nach oben krabbelnde Schlange auf das sommerliche Wiesengrün. Die Horizontkante liegt hoch über einem. Nur nicht nach oben blicken! Ich versuche mich mit den Feinheiten meines Spezialtextils abzulenken. „Bis zu 97 Prozent ihrer Energie verbrauchen Ausdauerathleten im Extremfall, um ihre Körpertemperatur auf optimalen 37 Grad zu halten“, hat mir die Verpackung meines Shirts abends zuvor erklärt. Längst fühle ich mich im Zentrum solch eines Extremfalls. Unterstützt die Kleidung die Körperkühlung, bleibt mehr Energie für die sportliche Leistung – klingt logisch. Na, dann zeig mal, was du kannst, raune ich meinem Leiberl zu. Die Sonne brennt nämlich bereits mit hochsommerlicher Freude aus einem von Wolken freigeräumten Himmel herunter. Das Gebäude oben am Berg, das man unten im Tal als Orientierungspunkt ausgemacht hat, will dagegen nicht größer werden. Nur nicht nach oben blicken! Plötzlich senkt sich das Gelände doch ein. Für wenige Meter geht es annähernd flach zum „Pavillon“, der Mittelstation der brandneuen Seilbahn in die Gipfelregion des Mont Blanc. ACHTUNG, STEIN! Fein säuberlich aufgefädelt nach Startnummern liegen die am Vorabend abgegebenen Helme bei der Mittelstation auf. Denn: Beim Skyrace gibt es eine Helmpflicht. Zumindest für die letzten 1.000 Höhenmeter und vier Kilometer. Wenig später wird deutlich, dass diese Sicherheitsvorkehrung keine Schikane des Veranstalters ist. Wie eine lawinenartige Flaschenpost rollen plötzlich Warnund Alarmrufe von oben kommend an uns vorbei. Die Menschenschlange vor mir sprengt sich wie auf Knopfdruck durch Sprünge nach links und rechts auseinander, ein handballgroßer Felsbrocken donnert die allgemeine Aufstiegsroute entlang Richtung Tal. Ein erschrockener Blick zurück, auch unter mir hechten Läufer nach allen Seiten weg. Der Stein springt ins Leere. Rollt aus. Bleibt liegen. Das Gelände selbst dagegen kennt kein Erbarmen. Spätestens jetzt wird klar, warum das Ganze unter „Vertical Race“ läuft. Von Laufen ist längst keine Rede mehr, denn es geht vertikal nach oben. Der Steig wird immer enger. Eigentlich hat man hier schon seinen Platz in der Ergebnisliste fixiert. An ein Überholen ist nämlich bis ins Ziel nicht mehr zu denken. Immer wieder stockt die Kolonne vor einem, weil die Klettersteigpassagen entlang einer Stahlseilversicherung dann doch nicht jedem liegen. Bleibt wenigstens mehr Zeit, die Aussicht zu genießen. Und die raubt einem den letzten Atem. Eine grandiose Kulisse aus schneebedeckten Vier- „ES WAR JEDEN METER WERT!“ Dank X-Bionic waren auch zwei SPORTaktiv-Leser beim Mont Blanc Skyrace 2016 dabei – hier in Kurzform ihre Eindrücke: MARLENA POLEC: „Für eine Triathletin wie mich, die eher flaches Gelände gewohnt ist, war es natürlich eine gewaltige Herausforderung. Definitiv waren es die härtesten 11 Kilometer meines Lebens – aber auch die spektakulärsten und schönsten.“ CHRISTOPH EDELSBACHER: „Ein riesengroßes Abenteuer! Auf 3.000 Metern wird die Luft schon dünn, aber ein Berglauf mit diesem Panorama und bei Kaiserwetter macht alles verschmerzbar. Das Erlebnis war jeden einzelnen anstrengenden Meter wert!“ ALLE INFOS: www.montblancskyrace.it tausendergipfeln hat vor uns Aufstellung genommen. Ein zaghafter Blick nach oben verrät, dass es nun nicht mehr weit ist – die Bergstation Punta Hellbronner wirkt schon zum Greifen nahe. Als „Zielgerade“ dient das Treppenhaus auf die Aussichtsplattform am Dach. 1:44:20 Stunden benötigte an diesem Tag der Sieger. Haarscharf unter drei Stunden zeigt die Uhr, als auch ich durchs Ziel stolpere! Nr. 1; Februar / März 2017 109
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