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SPORTaktiv Februar 2021

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Fare quattro passi, vier

Fare quattro passi, vier Schritte machen. So nennen es die Italiener, wenn sie einen kleinen Spaziergang machen, sich einfach locker die Beine vertreten. Gerne macht man das nach einer klassischen üppigen Speisenfolge mit einem hauchdünnen Carpaccio, gefolgt von Spaghetti Pomodoro und vielleicht sogar noch einem Bistecca Fiorentina, einem Rindersteak, von dem auch eine vierköpfige Familie satt werden würde. Daran muss ich jetzt denken, als die Bäume am Straßenrand wieder verschwinden, die Vegetation wieder karger wird und sich das von nostalgischen Begrenzungssteinen gesäumte Asphaltband wieder bergauf windet. Passi sind nämlich auch die Pässe, in dem Fall die berühmten Dolomitenpässe und der Passo Sella ist der vierte des heutigen Tages. Der Gedanke an den Gleichklang zweier so komplett unterschiedlicher Dinge macht wieder zwei, drei Kurbelumdrehungen leichter, der markante Sellastock ebenfalls. Denn die Alpenpässe, die überquert unser Grüppchen mit dem Rennrad. Vor sechs Stunden hatten in Canazei alle ein Strahlen in den Augen, bei der Aussicht auf die berühmte „Sella Ronda“, die vor uns lag. Verständlich. Frederik aus Belgien ist Journalistenweltmeister auf dem Rennrad, Liam, mit dem wunderbaren britischen Akzent aus dem südenglischen Bath, hat schon am Vorabend auf die Panna cotta verzichtet, weil er „leicht sein will für heute“. Jan aus Deutschland hatte als Endzwanziger die Jugend auf seiner Seite, Willem, der Hüne aus Holland, jährliche Kilometerleistungen von fünf-, sechstausend auf seiner Habenseite. Sie alle haben leicht lachen, als uns Guide Francesco vorm Hotel Croce Bianca in Canazei abholt. Aber ich? Relativer Rennradnovize. Immerhin kann ich beim Kampfgewicht halbwegs mithalten mit der internationalen Truppe. „Hier hab ich mich ins ANSTIEG, ABSTAND, KURVEN. DASS DIESE DREI BEGRIFFE IN ZEITEN WIE DIESEN AUCH FREUDE BEDEU- TEN KÖNNEN, ZEIGT EIN RENNRAD-TRIP NACH SÜDTIROL ZUR SELLARONDA. VON KLAUS MOLIDOR O SELLA Rennradfahren verliebt“, sagt auch Jo s hua Riddle, kurz vor der Abfahrt. Jo shua ist Amerikaner, lebt aber seit 14 Jahren in bella Italia und ist auch mit einer hiesigen Belladonna verheiratet. Darum macht er sprachlich auch eine bella figura. Er ist Marketingmanager bei Basso Bikes und rollt die Räder für unsere Runde aus dem Radkeller. Basso Diamante SV. „Das steht für Superveloce“, sagt Joshua. Superveloce, superschnell. Na bravo. Ein Aerorahmen auf der Höhe des technischen Schnickschnacks. Die Kenner frohlocken, während ich meine MTB-Pedale auf die Kurbelarme murkse. „Andiamo“, ruft Francesco und los geht es. Nicht auf die klassische Sella Ronda, so viel sei vorausgeschickt. Statt des Passo Pordoi schrauben wir uns den Passo Fedaia nach oben. „Damit sehen wir auch den Gletscher der Marmolada“, erklärt Carlo Brena, der die Runde organisiert hat und selbst mitfährt. Ehrensache. Ihn mache ich als Einzigen aus, bei dem ich es unter Umständen schaffen könnte, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Ziemlich frisch ist es für Anfang September, der Himmel ist bedeckt, Ärmlinge und ein Windgilet unumgänglich. Fotos: Mattia Rizzi 72 SPORTaktiv

MIA Nach ein paar Aufwärmkilometern in der Ebene geht es erstmals bergauf. Gleich nach Canazei wird es ruhig, der Verkehr ebbt ab, und auch der Mindestabstand ist gleich überhaupt kein Thema mehr – ich trete mutterseelenallein in die Pedale. Die Straße schlängelt sich märchenhaft durch den Wald, der noch dazu intensiv riecht, Wildbäche rauschen. Schnell stellt sich das ein, was ich wie so viele am Rennradfahren liebe. Die kontemplative Bewegung, Fortkommen allein mit Muskelkraft mit einem großen Aktionsradius. Kehre um Kehre geht es aufwärts, nie sehr steil, nie flach. Hart wird es nur kurz vor der Passhöhe in den Galerien, dort ist die Steigung schon ordentlich. Machbar, der Tag ist jung, die Laune steigt. Kurz, denn hier setzt erstmals der Regen ein. Windjacke, Regenjacke, lange Handschuhe. Ein Gruppenfoto vorm Gletscher noch und dann runter. „Ragazzi, passt auf, eh“, warnt Carlo Brena. „Hier geht es sehr steil bergab.“ Dazu noch bei nasser Fahrbahn und der einen oder anderen Baustelle. Die Scheibenbremsen quietschen, Carlos Hinterrad kann ich meistens aber noch sehen. Die anderen? Schmerzbefreit. „85 km/h“ grinst Jan auf einem kurzen Flachstück. Denn danach wartet zwar kein offizieller Pass, aber auch ein Anstieg hinauf nach SPORTaktiv 73

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