Aufrufe
vor 4 Jahren

SPORTaktiv Juni 2019

  • Text
  • Sport
  • Gehirn
  • Profisport
  • Triathlon
  • Outdoor
  • Biken
  • Fitness
  • Juni
  • Magazin
  • Bewegung
  • Laufen
  • Musik
  • Sportaktiv

DIE WICHTIGKEIT DER

DIE WICHTIGKEIT DER RICHTIGKEIT VON DER SCHWIERIGKEIT, DAS THEMA TRITTFREQUENZ BEIM E-BIKE VERSTÄND- LICH ZU VERMITTELN. DA HILFT WOHL NUR DER VERGLEICH ZUM AUTO. UNSERE FAHRTECHNIKSERIE, PART III: DIE RICHTIGE TRITTFREQUENZ BEIM E-BIKE. VON CHRISTOPH HEIGL Ja, auch im Mekka der Mountainbiker am nördlichen Gardasee gehört das E-Mountainbike zum normalen Ortsbild von Riva und Torbole. Und auch hier sieht man das moderne E-Bike-Phänomen: Elektrisch unterstützte Radfahrer erkennt man meist von Weitem, weil sie eine ganz andere, meistens viel niedrigere Trittfrequenz haben und zu schwere Gänge treten. Und damit – und so wird es zum Problem – die Kraft ihres Motors gar nicht zur vollen Entfaltung bringen oder im schlimmsten Fall Kette und Ritzel ruinieren. Denn mit 60 bis 90 Newtonmeter (Nm), im Fall des TQ-Motors sogar bis 120 Nm, ist Power masse vorhanden. Wir haben das 25. Bike-Festival am Lago genutzt, uns in der Szene der Motorenhersteller nach den besten Tipps erkundigt – und sind dabei offene Türen eingerannt. „Ja, die richtige Trittfrequenz wird leider nicht gut genug kommuniziert“, sagt Andreas Böxler. Der Experte am Panasonic-Stand blättert in einem zig Seiten starken Katalog eines renommierten Herstellers. „Darin finde ich alle Daten, aber nix zum Thema Trittfrequenz, schade.“ Seine Empfehlung zu Panasonic-Motoren: „Unser Antrieb arbeitet am effizientesten bei 80 bis 90 Kurbelumdrehungen pro Minute, 80 sind als Richtwert ideal.“ Das ist für den normalen Radfahrer ein hoher Wert. Am Stand von Shimano treffen wir Marketingchef Michael Wild, der selbst seine Beobachtungen macht: „Man sieht es auch in der Stadt bei den E-Bikes. Vor der roten Ampel wird nicht geschaltet und dann treten die Leute mit den dicken Gängen los. Die meisten E-Biker schalten zu wenig und zu spät.“ Dabei hat das direkte Auswirkungen auf den optimalen Wirkungsgrad, das Drehmoment und auf das dominierende Thema, die Reichweite. „Die Leute, die nicht die richtigen Gänge fahren, beschweren sich dann, dass zu wenig Kraft da ist und der Akku nicht lange hält. Da ist noch viel Aufklärungsbedarf.“ Schaltfaulheit? Ins selbe Horn stößt man bei Specialized, wo auf die Kombination von neuem Brose-Motor und hauseigener Specialized-Software gesetzt wird. „Unser Fotos: Christoph Heigl 82 SPORTaktiv

Motor funktioniert optimal bei 80 Umdrehungen pro Minute“, sagt Instruktor Christoph Joch. Dass nicht alle optimale Zahlen fahren, erklärt er sich mit der „Schaltfaulheit“ der E-Biker, weil ja der Motor eh so wahnsinnig stark ist. „Die Kräfte sind aber so groß, dass die Ketten oft zu tauschen sind. Das kleinste Ritzel am Zahnkranz hinten ist abgefahren, und die größeren haben die Kette noch gar nie gesehen“, schmunzelt er. Tests zur Reichweite hat er selbst gemacht: „Mit dem richtigen, leichteren Gang und höherer Kadenz kamen wir bis zu zehn Prozent weiter.“ Bei Händlerschulungen ist das ein zentrales Thema. „Am besten verstehen es die Leute beim Vergleich mit dem Auto. Ungeachtet der PS muss man auch beim Auto schalten, um den idealen Wirkungsgrad zu haben. Man kann nicht im sechsten Gang den Berg hochfahren.“ Eine Frequenzanzeige im Display (wie bei anderen Herstellern auch) sollte helfen. Es ist Physik Bosch hat sogar einen Reichweitenrechner auf der Website, wo man die Zusammenhänge zwischen Gewicht, Rad (z. B. richtiger Reifendruck), Unterstützungsstufe, Geschwindigkeit, Umwelt (Gelände, Wind) und Trittfrequenz sehr anschaulich als Grafik bekommt. Wer die Physik des Bikens mit Motor versteht, fährt wohl anders. Einen anderen Weg beschreiten die Münchener von Fazua. Ihr Konzept beinhaltet einen kleineren Motor, einen kleineren Akku und etwas weniger Power. „Bei uns sind schon 60, 65 Umdrehungen der Idealwert“, sagen Fazua-Mitgründer Fabian Reuter und Entwicklungsingenieur Stephan Happ. Deutlich niedriger als die Konkurrenz. Damit kommen viele auf Anhieb klar. Nur Rennradfahrer, die 100 bis 110 Umdrehungen gewohnt sind, müssen sich anpassen. Anpassungsbedarf haben auch noch die Schaltungshersteller, denn bei vielen Bikes ist es gar nicht möglich, richtig steile Passagen mit hoher Frequenz zu fahren, weil der leichteste Gang das nicht packt. Selbstversuch auf einem steilen Trail: Im leichtesten Gang schafft man trotz Motorpower gerade 45, 50 Umdrehungen. Größere Kassetten bzw. kleinere Kettenblätter würden helfen. Oder die Antriebshersteller senken die Drehmomentkurve noch weiter nach unten. Bis dahin: fleißig kurbeln. DIE GRUNDREGELN: UM MOTOR UND AKKU MÖGLICHST EFFIZIENT ZU NUTZEN, SOLLTE MIT BESTIMMTEN TRITTFREQUENZEN GEKURBELT WERDEN. ALLGEMEINER RICHTWERT: ZWISCHEN 70 UND 90 UMDREHUNGEN PRO MINUTE. DAS IST FÜR VIELE RADFAHRER HÖHER ALS GEWOHNT. NUR DIE MOTORUNTERSTÜTZUNG HOCHZUDREHEN, IST DER FALSCHE ANSATZ. SPORTAKTIV-TIPP: LEICHTERE GÄNGE FAHREN, MEHR FREQUENZ TRETEN, AUCH WENN SICH DAS FÜR UNGEÜBTE RADFAHRER MERKWÜRDIG ANFÜHLT. MIT DISPLAY, UHR ODER RADCOMPUTER GEGENCHECKEN. SPORTaktiv 83

Magazin // E-Paper