170 SPORTaktiv Fotos: Klaus Höfler
ZIMMER MIT AUSSICHT ÜBERNACHTEN IN EINER FELSWAND MUSS NICHTS MIT EINEM ALPINEN NOTFALL ZU TUN HABEN. MAN KANN EINEN SCHLAFPLATZ HUNDERTE METER ÜBER DEM ERDBODEN AUCH BUCHEN – UND EINE UNVERGESSLICHE NACHT ERLEBEN. WIE UNSER AUTOR. VON KLAUS HÖFLER Ein Blick aus dem Zeltfenster: Vor mir streckt sich der Wilde Kaiser in den Abendhimmel – majestätisch und selbstbewusst überstrahlt er „sein“ Reich. Auf der anderen Talseite verstellen die Loferer Steinberge die Aussicht Richtung Süden – schroff und spektakulär wachsen die Steilwände nach oben. „Ende nie“ heißt eine der Klettertouren hier. Wie treffend. Mit 38 Seillängen ist es eine der längsten Kletterrouten in den Ostalpen. Meine rechte Schulter lehnt an der Felswand des Urlkopfs – glatt und senkrecht ragt auch hier der Fels nach oben. Unter mir? Gähnt der Abgrund – tief. Sehr tief. Sind es 100 Meter? 120? 150? „Wohl ein bisserl mehr“, höre ich Chris sagen. Christoph „Chris“ Krahbichler hängt neben mir im Seil. Der staatlich geprüfte Bergführer, Obmann der 25 „Tauernguides“, hantiert mit ruhiger Selbstverständlichkeit an Knoten und Karabinern herum, während ich auf einer dünnen Kunststoffplane liege, die Nase vorsichtig über den Rand ziehe und meinen Blick langsam nach unten senke. Es ist noch immer da: das Nichts. Hier also soll ich heute schlafen. „Ein bisserl mehr“ als 150 Meter über Grund. Eingepackt in einen Schlafsack, fixiert mit Klettergurt, Seil und Achterknoten. Auf einer in der Felswand hängenden Mini-Plattform. Na dann: gute Nacht! „Übernachten in luftiger Höhe in einem Portaledge“ wird das unter www.tauernguide.at/touren buchbare Abenteuer angepriesen. Der Titel kommt ohne marketingtechnische Übertreibung aus. Im Gegenteil. „Da ist viel Luft unter dem Hintern“, beschreibt Matthias „Matze“ Scherer unsere aktuelle Position allumfassend. Wir liegen auf der Plane. Er, der Bergführeranwärter wenige Tage vor seiner Abschlussprüfung, entspannt. Ich, der Flachlandindianer ohne Klettererfahrung, mit leicht beschleunigtem Puls. Die Aufregung legt sich aber rasch, wird aufgefressen von der Einmaligkeit des Augenblicks. Klingt pathetisch. Aber die Intensität der Eindrücke, die mich gekidnappt haben, hat tatsächlich etwas Erhabenes. Es beginnt sanft. Der Zustieg zur Felswand über die beschauliche Loferer Alm gleicht einer familienfreundlichen Wanderung. Letzte Schneefelder verstecken sich vor der Frühlingssonne im Schatten knorriger Tannenäste, in den moosigen Waldboden mischen sich langsam kleinere Felsbrocken und die für das Kalkgestein typischen Karsttrichter. Plötzlich steht man an der Abrisskante des Urlkopfs. Richtung Westen spannt sich die gut zehn Kilometer lange Felswand der Loferer Steinplatte auf. Ein Kletter-Eldorado, durch das sich Touren wie „Feuertaufe“, „Donnervogel“, „Kreuzotter“ oder „Wallfahrt“ ziehen. Im Osten liegt tief unten im Tal Lofer. Wir sitzen oben beim Gipfelkreuz. Letzte Materialchecks, erste Anweisungen. Dann geht es die paar Schritte Richtung Abgrund. Ein erster Blick nach unten. „Na servus!“, denk ich mir und meine Blicke wandern Halt suchend das Seil entlang nach oben. An dessen Ende funkelt sie im Licht der untergehenden SPORTaktiv 171
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EDITORIAL KLAUS MOLIDOR SPORTaktiv-
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