Karabiner ermöglicht es, auch ohne Vorkenntnisse schnell erste Versuche an einer natürlichen oder künstlichen Felswand zu unternehmen. Der Besuch einer Boulderhalle ist für viele zum regelmäßigen sportlichen Ausgleich von der Arbeitswelt geworden. Dass es aber auch in der Stadt nicht immer eine Halle sein muss, weiß Andrea Maruna, und sie verweist auf die schier endlosen Möglichkeiten im urbanen Raum: „Die Urban Boulder-Szene wächst und interessiert immer mehr Menschen. Ein Hauptgrund ist sicher, dass man als arbeitender Mensch nach acht Stunden Büro nicht erneut Lust auf eine stickige, überfüllte Halle hat. Da ist es doch viel reizvoller, draußen in der Abendsonne ein paar geile Züge zu bouldern.“ Außerdem erklärt sie, dass die Sportart nicht so jung ist, wie man im ersten Moment vermuten möchte, und verweist darauf, dass der urbane Raum in Wien schon lange zum Klettern genutzt wird. So erschienen bereits Ende der 1980iger-Jahre erste Topos zu Routen an der Reichsbrücke. Kletterspots vor der Haustüre Beim Bouldern spricht man oft davon, dass man eine Kletteraufgabe „lösen“ möchte – was nicht heißt, dass es immer nur eine Lösungsmöglichkeit gibt. Oft muss der Kletterer durchaus kreativ sein und etwas um die Ecke denken, um den Weg nach oben zu schaffen. Maruna räumt der Kreativität aber auch aus einem anderen Grund eine zentrale Rolle beim Urban Bouldern ein – und beschreibt sie als „deine magische Brille, die du dir beim Spazieren durch die Stadt aufsetzt“. Durch diese Brille betrachtet, werden öde Betonwände zu spannenden Kletterrouten, Ziegelfugen zu Griffleisten oder Stahlpfeiler zu Piazschuppen. Die urbanen Strukturen fügen sich zu einem großen Spielplatz und plötzlich warten vor der eigenen Haustüre unendlich viele Kletterspots darauf, entdeckt zu werden. Urban Boulderern müssen dabei allerdings zwei Dinge bewusst sein – erstens: ANDREA MARUNA KLETTERT SEIT 1999. SIE IST SPORTWISSEN- SCHAFTERIN, PHYSIO- THERAPEUTIN UND KLETTER-INSTRUKTORIN UND ATHLETIN BEI WILDCOUNTRY/ SALEWA UND EVOLV. WWW.FACEBOOK.COM/ SALEWA.ANDREA.MARUNA das Klettern auf Objekten im öffentlichen Raum ist nicht legal. Jeder ist also selbst für sein Handeln und die sich daraus ergebenden Konsequenzen verantwortlich. Zweitens: „Ungesichert“ heißt nicht, ohne Sicherheitsvorkehrungen zu klettern: „Es ist wichtig, die Basics des Kletterns vorweg in einem geschützten Raum, also in einer Kletterhalle zu erlernen. Dazu gehört auch das Wissen, wie ich Verletzungen vermeiden kann. Zum Beispiel wie spotte ich, sprich: wie fange ich meinen Kletterkollegen im Falle eines Sturzes. Außerdem ist es ein Muss, große und dicke Bouldermatten mitzunehmen und bei Bedarf zu verwenden.“ Die Grenzen des Machbaren Der Zugang zum Urban Bouldern ist von Athlet zu Athlet etwas unterschiedlich. Für Maruna spielt, wie auch beim Bouldern in der Natur, die Verschiebung der Grenzen des Machbaren eine zentrale Rolle. Diesen Grundsatz beschreibt sie als eine der Grund-Triebfedern des Kletterns. Dennoch geht es am Ende um mehr als nur um Leistungsdenken, denn eine feine Bouldersession direkt nach dem Arbeiten, im Freien und mit Freunden, sporne ohnehin zu Höchstleistungen an. Und die unzähligen Möglichkeiten beim Urban Bouldern tun, wenn man erst den Blick dafür entwickelt hat, ihr übriges ... Was in der Szene gar nicht geht, ist, Boulder zu verändern, um sie leichter, schwerer oder überhaupt erst möglich zu machen. Andrea Maruna erklärt, dass auch in der Stadt dasselbe Axiom wie am Felsen gilt – es werden also nur jene Strukturen, Kanten, Leisten, Rillen, Unebenheiten verwendet, die ein Gebäude oder Bauwerk anbietet. Und das ist auch ein Punkt, den Urban Boulderer schätzen: Es muss nichts mehr unternommen werden, um loszulegen, alle Routen sind bereits da und warten nur darauf, entdeckt zu werden. Nicht nur in Wien, sondern überall dort, wo grauer Beton die Natur verdrängt hat. Foto: Bernhard Fiedler 112 SPORTaktiv
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