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SPORTaktiv April 2020

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180 SCHRITTE PRO MINUTE

180 SCHRITTE PRO MINUTE GELTEN ALS IDEALE SCHRITT- FREQUENZ BEIM LAUFEN – HÖRT MAN ZUMINDEST OFT. WAS IST DRAN AN DIESER THEORIE? WELCHE SCHLÜSSE KÖNNEN HOBBYLÄUFER DARAUS ZIEHEN? VON CHRISTOF DOMENIG DEM MYTHOS AUF DER SPUR 180 Das ist schon zackig. In der Musik sind 180 Beats pro Minute, drei pro Sekunde, eindeutig auf der schnellen Seite. Manche Läufer-Playlists im Internet werden nach dem 180er-Beat zusammengestellt, Katy Perrys „Roar“, Papa Roachs „Last Resort“ oder Michael Jacksons „They don’t care about us“ wirft Google als dafür passende Laufsongs aus. Also einfach mal die Laufschuhe anziehen, Kopfhörer aufsetzen und mit den Schritten mittrommeln. Ob man so die Laufstrecke ideal rockt? In Triathlonkreisen zum Beispiel wird Schrittfrequenz 180 manchmal als geradezu mythische Zahl angesehen. Die Schrittfrequenz (auch „Kadenz“ genannt) ist aber auch deswegen stärker ins Blickfeld gerückt, weil heute fast alle Sportuhren mit Bewegungssensoren ausgestattet sind und den Durchschnittswert nach Laufrunden anzeigen. Eine 180er-Frequenz erreichen nur wenige Hobbyläufer, üblich sind eher 160. Oder noch weniger. Der Schluss, der auch in Trainings- Apps öfters einprogrammiert ist: Die Schritte seien „zu lang“, es wird zu stark „über die Ferse“ gelaufen, Energie gehe beim Auftritt verloren. Der Laufstil sei insgesamt unökonomisch und der Fersenauftritt ungesund, weil gelenksbelastend. Höchste Zeit, an seiner Schrittfrequenz zu arbeiten. Und sich dem Ziel 180 anzunähern. Zwei unserer Lauf experten, Kurt Steinbauer und Stefan Spirk, sehen solche Pauschalempfehlungen durchaus kritisch. Weil sie unzulässig vereinfachen. Die wissenschaftliche Studienlage zur Schrittfrequenz ist jedenfalls widersprüchlich: 180 galt lange als durchschnittliche Anzahl von Bodenberührungen unter Topathleten. Ob das auf Freizeitläufer einfach umzulegen ist, darf hinterfragt werden. Eine noch recht junge finnische Studie hat außerdem festgehalten, dass es auch unter Weltklasseathleten sehr unter- Fotos: iStock, Kurt Steinbauer, Stefan Spirk 34 SPORTaktiv

schiedliche Schrittfrequenz-Typen gibt. In der Marathon-Weltklasse (Läufer mit Laufzeit unter 2:08 Stunden) reiche das Spektrum von 156 bis zu 187 Schritten pro Minute, zitierte das Magazin „Runner’s World“ aus der finnischen Studie von Eeli Paunonen. Kurt Steinbauer kennt eine weitere interessante Untersuchung: In einem 10.000-m-Rennen mit Weltrekordhalter Kenenisa Bekele wurde festgestellt, dass drei Topleute mit drei deutlich unterschiedlichen Schrittfrequenzen das Rennen bestritten: Einer hochfrequent, einer mit niedriger Kadenz und einer mit mittlerer. Im Finish setzte sich jener Läufer durch, der in der Lage war, sein Tempo über die Schrittfrequenz noch zu beschleunigen – und nicht jener, der schon das gesamte Rennen mit hoher Frequenz bestritten hatte. Kurze versus lange Schritte Grundsätzlich gesprochen gibt es mit Schrittlänge und Schrittfrequenz also zwei „Stellschrauben“, um die Laufgeschwindigkeit zu regulieren. Was besser ist – hohe Frequenz und eher kurze Schritte, oder niedrigere Frequenz und eher längere Schritte – das lässt sich pauschal nicht beantworten. MAG. KURT STEINBAUER ist Sportwissenschafter, Leistungsdiagnostiker und Lauftrainer in Graz und Deutschlandsberg (St). www.spiritofsports.at MAG. STEFAN SPIRK ist Sportwissenschafter und Leistungsdiagnostiker sowie Athletik- und Volleyballtrainer in Graz. www.sportchirurgieplus.at Dass Schrittfrequenz 180 jedoch auch bei langsamem Tempo grundsätzlich möglich ist, zeigt sich im Extremen an der japanischen „Slow Jogging“-Bewegung (siehe: www.slowjogging.de). Selbst Laufeinsteiger sollen dabei mit 180 bis 190 Schritten pro Minute laufen – im Geh tempo und mit Mini-Trippelschritten. „Slow Jogging“ soll einen erhöhten Muskeleinsatz und damit Kalorienverbrauch im Vergleich zum (gleich schnellen) Gehen bringen, bei zugleich extrem geringer Stoßbelastung. „Das stimmt alles schon“, meint Stefan Spirk, „dafür schränkt man sich mit so einem Laufstil in seinem Bewegungsumfang extrem ein. Und eingeschränkte Beweglichkeit erhöht wiederum erst recht die Verletzungsanfälligkeit.“ Den generellen Schluss, kurze Schritte seien besser als lange, weil damit der Fersenauftritt vermieden wird, können Steinbauer und Spirk auch nicht unterschreiben: „Nachdem beim Fersenauftritt in einer dynamischen Laufbewegung das Bein schon in der Rückwärtsbewegung ist, ist die Stoßbelastung bei Weitem nicht so groß, wie es oft dargestellt wird. Auch das gern gebrachte Argument des Energieverlusts durch den SPORTaktiv 35

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