EIN GRAZER RADELTE IN EINEM JAHR MEHR ALS DIE MEISTEN MENSCHEN IN EINEM GANZEN LE- BEN. 38.000 KILOMETER UND 20.000 DAVON AUF DER WALZE IM KELLER. WARUM? WEIL ES EIN- FACH SPASS MACHT. VON GEORG MICHL FOTOS: THOMAS POLZER MEHR ALS EIN SPORT Einen Angeber würden seine Freunde in Südafrika 1000 Meter gegen den Wind erkennen. „Die Afrikaner haben eine ganz andere Menschenkenntnis. Sie sehen dein wahres Ich“, sagt er. Und er will kein Angeber sein. Schon gar nicht wegen der 38.008,5 Kilometer, die er im Jahr 2020 auf dem Fahrrad absolviert hat. Die sollen auch nicht das Fotos: xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx 76 SPORTaktiv
zentrale Thema dieser Geschichte sein. „Sonst machen wir sie nicht“, sagt er. Als „Zebra 737 [RCGG]“ fährt er auf Zwift und gut 20.000 Kilometer seines Jahrespensums hat er im Keller seines Hauses abgespult. „Auf Zwift bekommt man schneller Kilometer zusammen, aber die empfundene Anstrengung ist viel höher. Jeder, der einmal acht Stunden im Keller ausgeronnen ist, weiß, wovon ich rede“, sagt er und lacht. Er radelt nicht in einem dieser chicen „Pain Caves“, die in sozialen Netzwerken für Likes sorgen. Rollentrainer samt Setup stehen in einem gewöhnlichen Keller ohne Klimaanlage oder Ventilator. Ein Untergeschoß mit dem üblichen Zeug, das man nicht jeden Tag braucht. Lieber würde er aber ohnehin nur draußen fahren, doch beim Kälteempfinden sei er eben noch ein „Afrikaner“. 13 Jahre hat er mit seiner Familie in Südafrika gelebt. Gearbeitet hat er im Headoffice eines Einzelhandelsunternehmens in Durban und Johannesburg, die Geschäfte waren fast alle in den Townships, aber das Haus steht am südlichen Ende des Krüger-Nationalparks. In einem „Kuhdorf“ wie er es nennt. Nach dem Studium in Florida samt College-Basketball hat ein Praktikum die Liebe zum afrikanischen Kontinent geweckt. „Afrika ist rau, aber liebevoll. Es ist ein Land voller Gegensätze und diese zu verbinden und zu überbrücken hat mich fasziniert.“ Und auch die Menschen haben es ihm angetan. „Im Vergleich zu Europa haben die Menschen in Afrika ein hartes Leben und Monat für Monat Schicksalsschläge zu überwinden. Aber dort habe ich gelernt, dass es nicht wichtig ist, wie hart du zuschlägst, sondern wie schnell du wieder aufstehen kannst.“ Niedergestreckt hat ihn der Lebenswandel eines Workaholics. Der Erfolg im Beruf zog ihn in einen Sog. „Je mehr Erfolg du hast, desto motivierter wirst du. Aus acht Stunden am Tag werden neun, zehn, vierzehn. Irgendwann habe ich Unmengen Cola getrunken, um den Tag zu schaffen und später habe ich mit dem Rauchen angefangen. Wenn du jung bist, fühlst du dich unbesiegbar.“ Auf dem Nachhauseweg von einer Filial eröffnung kam dann die Rechnung. „Ich hatte eine Panikattacke und gedacht, dass ich sterbe.“ Ein Gespräch mit dem Arzt in seinem Dorf riss ihn endgültig aus seinem Trott. „Er sagte: Thomas, du hast körperlich nichts. Aber du solltest dir Gedanken um deine Zukunft machen. Wenn du so weitermachst, wird ein anderer Mann mit deiner Frau dein Geld ausgeben.“ Der Prozess einer Veränderung trat ein. Er hat in der Firma Leute eingestellt, die ihn entlastet haben, und sich ein Fahrrad gekauft. „Ich wollte Bewegung, Sport und auch die sozialen Erlebnisse wieder in meinem Leben zurückhaben.“ Im Sport seien die Menschen aufgrund einer gemeinsamen Leidenschaft zusammen, im Beruf sei dem nicht so. „Da ist oft jemand freundlich zu dir, weil er was braucht.“ Gebraucht hat er damals ein Rad. „Im nächsten größeren Ort habe ich mir eines angesehen und beim zweiten Besuch habe ich es mitgenommen.“ Die erste Ausfahrt führte ihn zum Eingangstor des Krüger- Nationalparks. „Ich bin 18 Kilometer gefahren und als ich zu Hause war, hatte ich das Gefühl, die Tour de France gewonnen zu haben. Danach konnte ich Stundenlanges Kilometerabspulen auf virtuellen Ausfahrten im Keller. „Ich habe ein gutes Zeitmanagement, schaue kaum fern und habe keine Stehzeiten.“ mich aber drei Tage wegen Spatzen nicht bewegen.“ Das war vor knapp vier Jahren. Dass er nur drei Jahre später in einem Jahr 1187 Stunden auf dem Rad sitzen würde, hätte er sich da nicht gedacht. Die Rückkehr nach Österreich war ein einschneidendes Erlebnis und die Zeit auf dem Rad in der Natur half. „Ich bin alleine Rad fahren gegangen, um meine Gedanken zu sortieren“, erzählt er, „dabei habe ich immer wieder Leute getroffen und auf Strava habe ich gesehen, dass viele zusammen in Gruppen fahren. Das wollte ich auch.“ Über den Vater ei SPORTaktiv 77
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