PHYSIKSTUNDE: WARUM DREHT SICH EIN ELEKTROMOTOR? WOHER WEISS DAS BIKE, WIE VIEL UNTERSTÜTZUNG ES LIEFERN SOLL, UND WELCHE TECHNIK STECKT DAHINTER? VON CHRISTOPH MALIN UND GEORG MICHL Wie beim Zwischenmenschlichen basiert auch die Funktionsweise des Elektromotors auf dem Prinzip von Anziehung und Abstoßung. Allerdings nicht hormonell, sondern physikalisch bedingt, ziehen sich ungleichnamige Pole zweier Magnete an und stoßen sich gleichnamige ab. In der Physik wird das als Polgesetz bezeichnet und bietet die Grundlage für die Bewegung des Elektromotors. Dieser besteht prinzipiell neben einer Stromquelle aus drei Teilen: einer Achse (Rotor), die sich im Gehäuse (Stator) dreht, und einer Motorsteuerung. Warum dreht sich nun also der Motor? Die magnetische Ladung eines Metalls kann einerseits dauerhaft sein, wie bei Stabmagneten und Kompassnadeln zum Beispiel, oder durch eine elektrische Spannung erzeugt werden. Ein Magnetfeld wird erzeugt, indem man einen metallischen Kern mit einem von Strom durchflossenem Draht umwickelt. Der Kern und der stromführende Draht bilden somit einen Elektromagnet. Je nach Flussrichtung des Stroms (+ und -) richten sich die Pole (Nord und Süd) aus. Diese zwei Arten von Magneten kom- DIE KRAFT DER ANZIEHUNG Fotos: Bosch eBike Systems 86 SPORTaktiv
men im E-Bike-Motor auch zum Einsatz. Auf dem Umfang des Rotors sind Permanentmagnete so platziert, dass abwechselnd Nord- und Südpole nach außen gerichtet sind. Im Stator, der den Rotor ja wie ein Gehäuse umschließt, befinden sich Elektromagnete, die umgeschaltet werden können. Die Permanentmagnete auf dem Rotor und die Elektromagnete des Stators liegen sich kreisrund genau gegenüber. Die Motorsteuerung sorgt dafür, dass die Magnete im Stator so geschaltet werden, dass die des Rotors immer wieder ein Stück weitergezogen und -geschoben werden – nach dem Prinzip des Polgesetzes. Wie manchmal auch im Zwischenmenschlichen läuft quasi einer dem anderen hinterher. In diesem Fall der drehende Stator dem Rotor. Je mehr Spannung in das System eingespeist wird und je schneller nun die Elektromagnete des Stators weitergeschaltet werden, desto schneller dreht sich die Achse. Bekommen die Magnete im Stator hingegen keinen Strom, läuft die Achse leer durch. Je mehr Magnete in einem Motor verbaut sind, desto ruhiger läuft der Motor und auch das Drehmoment nimmt zu. Die Sensorik 90 % der verkauften e-Bikes sind sogenannte „Pedelecs“. Dieses Kunstwort steht für „Pedal Electric Cycle“ und bedeutet so viel, dass ohne Zutun des Bikers (sprich „Treten“) der Motor keine Leistung beisteuert. Gemessen wird die Kraft, mit der in die Pedale getreten wird, über Drehmomentsensoren direkt an der Tretlagerwelle. Bis zu 1500 Messungen werden pro Sekunde durchgeführt und an die Steuereinheit übermittelt – Shimano setzt dabei sogar auf eine Bluetooth-Übertragung. Der Marktführer Bosch sorgt über entsprechende Filter in den Datenströmen für ein sensibles Eingreifen des Motors, sodass dies für den Fahrer kaum noch spürbar ist. Mit dem weiterentwickelten und extrem feinfühligen „e-MTB“-Modus des aktuellen Bosch-Gen-4-Motors wird ein Anfahren auch auf extrem rutschigen Oberflächen ermöglicht. Da vom Gesetz her festgeschrieben ist, dass der E-Motor nur bis zu einem Tempo von 25 Kilometern pro Stunde unterstützend eingreifen darf, ist ein Geschwindigkeitssensor im E-Bike essenziell. Im Regelfall wird das Tempo mittels Magnetsensor in der Nähe der Hinterachse abgenommen. Meldet dieser 25 km/h erreicht, regelt der Motor im Bereich +/- 2 km/h sanft aus und geht in den Freilauf. Er „faded aus“, wie es in der Fachsprache heißt. Leistung und Geschwindigkeit sind in der modernen Steuerungstechnik allerdings nicht die einzigen Parameter, die den Algorithmus beeinflussen. So erkennen in modernen Motoren Lage- und Beschleunigungssensoren die aktuelle Fahrsituation und regeln entsprechend genau in die Leistungssteuerung ein. Sprich: Das System erkennt etwa einen steilen Anstieg, antizipiert über einen Algorithmus eine in Kürze notwendige Leistungssteigerung und regelt feinfühlig entsprechend der Anforderung nach. Es soll nicht so sein, dass der Motor brachial „anzahrt“, sondern fein dosiert Leistung entsprechend dem Pedaldruck zugibt oder drosselt. Fährt der Fahrer von einem Gefälle in eine Senke und wieder daraus hervor, hat der Motor Fahrdynamikdaten vorliegen und stellt dann schon Millisekunden, bevor sie gebraucht wird, entsprechend Leistung bereit. Prinzipiell wird die Leistung aber SPORTaktiv 87
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