PERSONALITY Mike Kluge werden. Aber Erster zu sein, ist besonders. Es lädt dich mit einem Selbstbewusstsein auf, das dir noch mehr Energie zur Verfügung stellt. In Mladá Boleslav wurdest du 1987 erneut Weltmeister im Cyclocross. Es heißt, das war eine aufregende Reise? Wir hatten minus zehn Grad, die Straßen waren überfroren. Auf einer Trainingsfahrt kam uns ein Lkw entgegen, der riesige Baumstämme geladen hatte, die sich in einer Kurve lösten. Ein paar Sekunden später an dieser Stelle hätten uns die Stämme erschlagen. Nachts bin ich dann aufgewacht, weil meine Handschuhe brannten, die auf dem Nachtspeicherofen zum Trocknen lagen. Unsere Betreuer halfen uns beim Löschen, kamen allerdings von der Bar und hatten Wodka getrunken. Einer ist gestolpert, mit dem Kopf auf meine Bettkante und hat das Zimmer vollgeblutet, das wir dann noch gewechselt haben. Am nächsten Tag wurde ich trotz zweier Reifendefekte mit 15 Sekunden Vorsprung Weltmeister. Das war ein wilder Ritt … Trotz deiner Erfolge wurdest du auf der Straße nicht für die Olympischen Spiele 1984 und 1988 nominiert. Was war da los? Vor den Spielen 1984 hatte ich eigentlich bei jeder großen Rundfahrt eine Etappe gewonnen. Wenn ich im Frühling meine letzten Cyclocross-Rennen gefahren bin, haben die anderen aber schon Punkte auf der Straße gesammelt. Und nach denen wurde nominiert. Straßenfahrer wurden bestraft, wenn sie Cross gefahren sind. Heute feiert man Tour-Stars wie Wout van Aert, Mathieu van der Poel oder Tom Pidcock, allesamt Cyclocross- Weltmeister. Mir war klar, dass man beides machen kann, weil die Disziplinen voneinander profitieren. Aber damals, im konservativen Radsport, war das nicht vermittel- Ich dachte: Sehen ganz cool aus, diese Mountainbikes. Ein Jahr später gewann ich tatsächlich den Gesamtweltcup im Cross Country. bar. Na ja – ich freue mich darüber, diese Jungs zu beobachten! 1989 wurdest du MTB-Profi. Wie kam das? Ich hatte mir eine Auszeit genommen, war eine Zeitlang in Kalifornien. Eines Tages kam ein Anruf, ob ich am MTB-Weltcup in meiner Heimatstadt Berlin teilnehmen wolle. Ich bin ins Fahrradgeschäft in Laguna Beach und dachte mir: Sehen ganz cool aus, diese Mountainbikes! In Berlin wurde ich Zweiter, also bot man mir an, im Weltcup zu fahren, in Länder wie Australien, USA oder Südafrika zu reisen. Ein Jahr später 022
FOTOS: Thomas Roegner ZUR PERSON Mike Kluge wurde am 25. September 1962 in West-Berlin geboren. Er war Mitglied des deutschen Straßenrad-Nationalteams, wurde zweimal Cyclocross-Weltmeister bei den Amateuren (1985, 1987) und einmal bei den Profis (1992). Im Jahr 1990 gewann er den MTB-Gesamtweltcup im Cross Country. Mike ist Gründer der Marke „Focus“, die er 1999 an Derby Cycle verkaufte. www.mike-kluge.de Oft hieß es vom Sponsor: Du musst schon die Originalteile nutzen. Ich sagte: Die bringen mir aber Nachteile. Ich wollte endlich ohne Vorgaben an meinem eigenen Bike schrauben. 1999 hast du Focus verkauft und deine aktive Karriere beendet. War das genauso geplant? Das hat einfach gut zusammengepasst. Im Jahr 2000 ist dann meine Freundin Ute am Strand zusammengebrochen. Sie litt an einem Herzklappenfehler, ist in meinen Armen gestorben. Ich bin in ein Loch gefallen. Ohne Firma, Karriere, Freundin – es war eine Zeit, in der ich einen neuen Sinn für mein Leben suchen musste. FOTO: SQLab/Jan Greune Und das war dann doch wieder das Radfahren? Sieht so aus. Man kann mit dem Fahrrad einkaufen, verreisen, Sport machen. Es ist eine total sinnvolle Beschäftigung. Ich liebe den Fahrtwind! Momentan genieße ich die Trails auf den Weingütern rund um Kapstadt, die über Abschnitte des Cape Epic führen. Aber ich fahre auch gerne Rennrad auf Mallorca oder bin im Schwarzwald mit dem E-Bike unterwegs. gewann ich dann tatsächlich den Gesamtweltcup im Cross Country. Du hast in Kaprun bei einem Downhill-Weltcup triumphiert. Wurdest 1992 in Leeds Cyclocross-Weltmeister der Profis. Woher kam diese Vielseitigkeit? Mountainbiken und Cross-Fahren sind sich schon sehr ähnlich. Beim MTB hast du noch etwas mehr mit Topographie zu tun. Teilweise fährst du bergab schneller, die Räder sind stabiler und natürlich gefedert. Aber dafür ist das Crossfahren eine gute Schule. Abwechslungsreiches Gelände, und damals hatten wir auch noch diese Cantilever-Bremsen. Die haben im Regen nicht gebremst, wenn du es gebraucht hast – sondern, wenn sie Lust hatten. Ich bin Autorennen gefahren und wusste, wie wichtig es ist, eine Kurve perfekt anzubremsen. Deshalb war ich 1992 als erster Fahrer mit hydraulischen Felgenbremsen unterwegs. Mein Wissen aus dem Crossfahren und dem Motorsport hat mir geholfen, mein MTB nahezu perfekt einzustellen und technische Vorteile zu nutzen. Wie entstand die Idee, mit „Focus“ eine eigene Marke zu gründen? Man liest, du arbeitest an einem Wasserstoffantrieb? Wir sind mit Ingenieuren dran, noch ist es allerdings nicht gelungen, eine kleine Brennstoffzelle mit geeigneter Leistung zu entwickeln. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass wir eines Tages auf Wasserstoffbikes sitzen. Wenn du ein Bike wählen dürftest: welches wäre das? Lustig, ich habe gerade mein perfektes Bike konzipiert. Es soll alle wichtigen Vorteile in sich vereinen, wird was von einem Crosser und einen E-Antrieb haben. Wer mehr wissen möchte, kann mich gerne kontaktieren. Ich bin noch auf der Suche nach einem Industriepartner … 023
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