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SPORTaktiv Dezember 2020

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IM SOG VON „SIR MO“

IM SOG VON „SIR MO“ ZUM REKORD Fotos: Getty Images, Johannes Langer, Peter Herzog 48 SPORTaktiv

MITTEN IN DER CORONA -ZEIT, BEI NÄSSE, WIND UND OHNE ZUSCHAUER HAT PETER HERZOG IN LONDON IN 2:10:06 EINEN ÖSTERREICHISCHEN MARATHONREKORD AUFGE- STELLT. WIE MACHT DAS DER SALZBURGER, DER 2016 NOCH HOBBYLÄUFER WAR? WAS TREIBT IHN AN? WOHIN KANN ES NOCH GEHEN? VON CHRISTOF DOMENIG Sir Mo Farah wurde viermal Olympiasieger (je zweimal über 5000 bzw. 10.000 m), sechsmal Weltmeister und 2017 von Queen Elizabeth II. zum Ritter geschlagen. Er macht sich aber auch als Pacemaker gut. Der britische Topstar führte beim London- Marathon am 4. Oktober jene Gruppe mit 2:11-h-Zielzeit bis Kilometer 30, in der sich auch Österreichs Beitrag in dem exklusiven, auf 40 Mann limitierten Elitefeld einreihte. Die 2:10:06 Stunden von Peter Herzog waren nicht zuletzt auch Resultat einer goldrichtigen taktischen Entscheidung. Mit seiner Bestzeit von 2:10:57 und dem österreichischen Rekord von Lemawork Ketema von 2:10:44 vor Augen wollte sich der Salzburger ursprünglich an die Gruppe mit 2:08 Zielzeit anhängen. Doch angesichts der widrigen Bedingungen – Kälte, Dauerregen, kräftiger Wind – entschied sich Herzog dann doch für die Farah-Gruppe. Lassen wir Peter Herzog selbst nacherzählen: „Die 2-Kilometer-Runde, die 20-mal zu laufen war, war auch eine Unbekannte. Am Anfang ist mir das nicht leichtgefallen, ich hab mir kleine mentale Brücken gebaut, mich Runde für Runde weitergehantelt. Die Strecke war zum Glück relativ windgeschützt. Ab der Hälfte ist es immer besser gegangen, und bei Kilometer 35 – das ist normalerweise eine kritische Phase – habe ich gemerkt, dass ich noch richtig Kraft habe. Aber ich hab auch gelernt, dass ein Marathon hintenraus noch bös’ werden kann, man kann auch auf den letzten zwei Kilometern noch viel verlieren. Ich bin aber hintenraus immer selbstbewusster und stärker geworden. Im Ziel war es Euphorie, ein ganz besonderer Moment. Ich hätte ja nie geglaubt, dass ich einmal so weit kommen kann.“ Den ersten Halbmarathon in London absolvierte Herzog in der Farah-Gruppe in 1:05:19, den zweiten in 1:04:47. Also ein „negative Split“. „Für richtige Bestzeiten ist das so was wie ein Geheimrezept, denn wenn du hintenraus verlierst, verlierst du meist doppelt und dreifach. Ein negative Split zeigt auch, dass du die richtige Taktik gewählt hast“, freut sich Herzog. Die 2:10:06 waren die schnellste Zeit eines Österreichers auf der Marathondistanz und Platz 12 in dem stark besetzten Rennen. Außer Herzog gelang kaum einem Teilnehmer eine persönliche Bestzeit. Die Eckdaten (und Bestzeitentwicklung) des Salzburgers kann man nicht oft genug nacherzählen: Nach einer Jugend im Biathlon, Stationen beim Bike-Trial und (Hobby-)Triathlon knackte er 2016 mit 28 Jahren als Hobbyläufer die 2:30 h. Da erst begann ihn der Marathon richtig zu reizen. Mit 2:15:29 holte er bei der Europameisterschaft 2018 mit Lemawork Ketema und Christian Steinhammer Team-Bronze für Österreich, seit Herbst 2018 ist er Heeressportler und damit quasi Profi. m September 2019 qualifizie te sich der Union-Salzburg-Athlet mit 2:10:57 in Berlin für die Olympischen Spiele 2020. Frühling 2020: Ein Rennen nach dem anderen und schließlich auch die Olympischen Spiele von Tokio werden abgesagt: „Das war schwierig, weil ich die großen Ziele brauche, um mich Tag für Tag zu schinden.“ Herzog fügt aber auch hinzu: „Ich bin ja kein Einzelschicksal – für fast alle Sportler, für die Wirtschaft, für ganz viele Menschen ist die Zeit hart.“ Das Gefühl vieler Hobbyläufer, ohne Ziel dazustehen, kann er deswegen gut nachvollziehen: „Ich habe mich im Frühling zuerst schwer getan. Mir hat dann geholfen, als ich mich entschieden habe, den Trainingsplan sein zu lassen, einfach in die Natur rauszugehen und der Freude wegen zu laufen. Das war auch mit meinem Trainer Johannes Langer so abgesprochen.“ Im Gegensatz zu den Hobbyläufern war die Saison für die Eliteläufer wenigstens nicht zur Gänze frei von „echten“ Wettkämpfen: Im August gewann Herzog den Staatsmeistertitel über 5000 Meter. Ebenfalls Anfang August kam die Nachricht, dass er unter den nur 40 eingeladenen Eliteathleten beim London-Marathon ist. ENTWICKLUNG DES ÖSTERREICHISCHEN MARATHON-REKORDS 2:12:22 h – Gerhard Hartmann, Wien, 13. 4.1986 2:10:47 h – Günther Weidlinger, Frankfurt, 25. 10. 2009 2:10:44 h – Lemawork Ketema, Wien, 7. 4. 2019 2:10:06 h – Peter Herzog, London, 4. 10. 2020 SPORTaktiv 49

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