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SPORTaktiv Februar 2021

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ICH FÜRCHTE, NICHT ALL-

ICH FÜRCHTE, NICHT ALL- ZU VIEL WIRD BLEIBEN Dieses „Ich muss raus“ ist natürlich einer Situation geschuldet, in der fast alle anderen Aktivitäten nicht möglich sind, auch Schwimmbäder und Fitnessstudios geschlossen bleiben müssen. Viele ohnehin sportlich aktive Menschen kompensieren dies durch Bewegung in der Natur. Vielleicht erkennt man dann, dass ein Waldlauf etwas anderes ist als das Laufband und eine knackige Steigung im Alpenvorland etwas anders als deren Simulation am Ergometer – und bleibt der neu entdeckten Naturnähe treu. Diejenigen, die nun den Freiluftsport erst entdecken, weil andere Betätigungen verwehrt sind, werden zu einem Gutteil nach der Pandemie zur alten Lebensform zurückkehren. Einige werden aber sicher das Gefühl von Wind, Sonne, Regen und Schnee auf der Haut auch danach nicht missen wollen. Es ist oft so, dass wir zu Erfahrungen, die wir als positiv empfinden, erst gezwungen werden mussten. Es gab z. B. auch noch nie so viele junge Menschen, die bekundeten, wie gerne sie doch in die Schule gingen. Vor Corona sah das ganz anders aus. Die Pandemie beschleunigt aber auch Entwicklungen, die es vorher schon gab: Laufen, Radfahren und Wandern gehören seit geraumer Zeit zu den Trendsportarten. Sind wir folglich auf dem Weg zu einer bewegteren, gesünderen, sportlicheren Gesellschaft? Leider habe ich da so meine Zweifel. Denn es gibt ja auch die gegenteiligen Beobachtungen. Menschen können durch einen Lockdown passiver werden, leiden an Einsamkeit bis hin zur Depression. In Summe denke ich, dass sich wenig ändern wird, aber es wäre schon viel gewonnen, wenn man wieder das schätzen lernt, was uns die Natur ohne aufwendige Infrastruktur und ganz ohne Events bieten kann. UNIV.-PROF. DR. KONRAD PAUL LIESSMANN Institut für Philosophie, Universität Wien SPAZIERENGEHEN IST JUGENDLICHE KULTURFORM GEWORDEN Ja, viele haben den Wert von Bewegung in der Natur entdeckt. Ich sehe das einerseits im Kontext Gesundheit, es tut dem Immunsystem gut, andererseits den Aspekt Psychohygiene: Niemand ist in einer Großstadt gerne in den eigenen vier Wänden eingesperrt. Die grüne Natur, das Rausgehen tut der Seele gut. Wobei einiges schon überrascht hat: Wer hätte etwa gedacht, dass Spazierengehen sich zu einer Kulturform der Jugend entwickeln würde? Die Corona-Pandemie wirkt in vielerlei Hinsicht als Beschleuniger – in einigen Bereichen auch als Bremser – bestehender Entwicklungen. Gesundheit und Natur haben zuvor schon einen zentralen Wert in der Gesellschaft bekommen und das wurde und wird nun noch beschleunigt. Und das wird auch bleiben. Schon deshalb, weil viele eine positive erste Erfahrung gemacht haben. Ich war selber zuvor regelmäßig im Fitnessstudio, habe da aber nicht viel Cardio gemacht. Dann war ich gezwungen, im Freien zu laufen. Zu Beginn ist das schwierig – nach einiger Zeit fühlt es sich sehr gut an. Diese Erfahrung muss aber jeder selber machen und das haben jetzt viele getan. Österreich hat übrigens den zweithöchsten durchschnittlichen Kalorienkonsum der Welt, wobei die Zahl übergewichtiger Menschen schon bisher in keiner Relation zu dieser hohen Kalorienaufnahme stand. Das lässt sich mit der hohen Affinität zum Wintersport erklären. Ein Tiroler hat, wenn man so will, also eine deutlich bessere Basis beim Einstieg ins Laufen als ein Nordrhein-Westfale. Ein weiterer Grund, warum in Österreich die Chance groß ist, dass viele den Lebensstil beibehalten. Interessant zu beobachten wird nun sein, wie die Politik mit dieser gesellschaftspolitischen Stellschraube, die sie plötzlich in die Hand bekommen hat, umgehen wird. Mit Sportarten, die vom Spitzensport her nicht wahnsinnig sexy sind – etwa verglichen mit Fußball –, aber im Breitensport eine große Wirkung entfalten können. Eine bewegte Gesellschaft kann man sich für jedes Gesundheitssystem nur wünschen. Aber wird man die Menschen einfach tun lassen? Oder auch Ideen haben, diese entstandene Bewegung weiter zu fördern und zu unterstützen? ES IST OFT SO, DASS WIR ZU ERFAHRUNGEN, DIE WIR ALS POSITIV EMPFINDEN, ERST GEZWUNGEN WERDEN MUSSTEN. TRISTAN HORX Trend- und Zukunftsforscher, Zukunftsinstitut Frankfurt und Wien 14 SPORTaktiv

WAS WIRD VOM SPORTBOOM BLEIBEN? Fotos: Heribert Corn, Zukunftsinstitut, Vaude/Winfried Heinze EINSTIEGSHÜRDEN WURDEN NACHHAL- TIG EINGERISSEN Ich glaube, dass dieser neue Outdoordrang auch nachhaltig nach der Krise wirken wird. Viele Menschen haben die verschiedensten Outdoor-Aktivitäten ausprobiert, vor denen sie ohne so viel Zeit und so wenig andere Optionen zurückgescheut wären. Aktive Freizeitgestaltung mit E-Bikes, Langlauf skiern, Schneeschuhen, Skitouren oder einfach Wandern. Einstiegshürden wurden nicht nur einmalig überwunden, sondern nachhaltig „eingerissen“. Die neue Lust am Draussen-Sein. Natürlich werden ganz viele Menschen nach der Krise erst mal das Bedürfnis haben, aufgeschobene Reisen und andere Aktivitäten zu verwirklichen, was in einen Rückgang der Outdoor- und Sportaktivitäten münden wird. Doch im Vergleich mit der Zeit vor der Pandemie wird sowohl die Menge der outdoorbegeisterten Menschen als auch die Frequenz der Aktivitäten auf einem deutlich höheren Niveau sein. Das ist einerseits positiv, weil so mehr Menschen die Natur kennen- und schätzen lernen. Viele Naturlandschaften leiden jedoch unter einem hohen Besucherstress. Die Herausforderung besteht darin, die Besucherströme in den touristischen Hotspots nachhaltig zu lenken und gegebenenfalls auch auf ein erträgliches Maß zu senken. Zum anderen muss eine breite Vermittlung und Verankerung von umweltverträglichen Verhaltensweisen in der Natur erreicht werden. Darin sehe ich neben den Naturschutz-, Outdoor- und Tourismusverbänden auch uns als Outdoormarken in der Mitverantwortung. Wir geben auf unserem Experience-Blog ganz praktische Anregungen, beispielsweise in der Reihe „Hinterlasse keine Spuren!“ über nachhaltiges Verhalten im Outdoorsport. LAUFSTRECKEN SIND VOLL, BELIEBTE BIKES AUSVERKAUFT, SKITOURENGEHEN BOOMT, AUCH STRAVA-DATEN BELEGEN EINEN BEWEGUNGS- BOOM DURCH DIE CORONA-PANDEMIE. EINE MOMENTAUFNAHME, AUSNAHMESITUATION – ODER VERÄNDERUNG, DIE BLEIBEN WIRD? SIND WIR AUF DEM WEG ZU EINER GESUNDHEITSBE- WUSSTEREN, SPORTLICHEREN GESELLSCHAFT? WIR HABEN MEINUNGEN EINGEHOLT. VON CHRISTOF DOMENIG, CHRISTOPH HEIGL UND KLAUS MOLIDOR ANTJE VON DEWITZ Geschäftsführerin Vaude Sport GmbH SPORTaktiv 15

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