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SPORTaktiv Juni 2016

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ALLSPORT IM GESPRÄCH

ALLSPORT IM GESPRÄCH ... ... mit Dietmar Pegam, Leiter der Fußballakademie in Graz Viele Teenager träumen davon, Fußballprofi zu werden. Wie entdeckt ihr für die Akademie geeignete Spieler? Mit den meisten potenziell geeigneten Spielern beschäftigen wir uns schon zwei Jahre vor der Aufnahme. Da stehen wir mit den Landesverbands-Ausbildungszentren und den größeren steirischen Vereinen wie Sturm Graz, Hartberg, Kapfenberg und dem GAK in engem Kontakt. Durch den Austausch erhalten wir wertvolle Informationen über junge Talente und beobachten sie dann natürlich. Es bewerben sich aber auch Spieler, die noch nicht entdeckt wurden. Welche Fähigkeiten müssen junge Fußballer mitbringen, um aufgenommen zu werden? Vor allem müssen sie technisch gut drauf sein. Wenn ein 13-Jähriger körperlich stark und schnell ist, ihm bei jedem dritten Kontakt aber der Ball wegspringt, wird es für eine Profikarriere vermutlich nicht reichen. Unsere Trainer beobachten mit gezielten Übungen Basistechniken wie Passqualität, Ballannahme oder Tempodribblings. Das wichtigste Kriterium bleibt aber das Verhalten im Match. Entscheidend für eine Profikarriere ist, wie oft ein Fußballer sein Potenzial in den Spielen abrufen kann. Zu jeder Ausbildung gehört die Leistungsbeurteilung dazu. Wie wird der Fortschritt der Spieler gemessen? Zweimal im Jahr führen die Trainer mit den Spielern und deren Eltern Entwicklungsgespräche. Sie schauen sich den technischen, taktischen, konditionellen, mentalen und medizinischen Bereich an und beurteilen anhand genauer Aufzeichnungen, welche Entwicklungen stattgefunden haben. Mit den Spielern werden individuelle Ziele erstellt. Wichtig ist, dass die Spieler auch lernen, sich selbst einzuschätzen. Deshalb erzählt der Spieler zuerst, wie er seine Entwicklung selbst beurteilt. Sagt Feldhofer, „damit sich ein Spieler entwickelt, braucht er 500 und mehr in einer Einheit. Stürmer, Mittelfeldspieler und Verteidiger sollten nicht rund um die Uhr gemeinsam trainieren. Jede Position hat ihre eigenen Anforderungen.“ Schon mit 14 studieren die angehenden Profis Taktik. Was macht die Restverteidigung? Wie teilt man sich beim Angriff im Raum auf? Wie wird verschoben? Alles wird besprochen und verinnerlicht. Auch wenn in der Akademie mit kurzen Pässen, Kombinationsfußball und dem frühen Stören des Gegners ein spezifischer Spielstil gepflegt wird, soll die taktische Flexibilität gefördert werden. „Vor allem im Jugend-Amateurbereich dreht sich oft alles um den Sieg. Viele Trainer greifen auf die einfachsten Mittel zurück, um erfolgreich zu sein“, sagt Thomas Böcksteiner, stellvertretender sportlicher Leiter und U16-Coach. „Ein Jugendlicher sollte aber taktisch umfangreich geschult werden, um sich später in verschiedenen Kampfmannschaften durchsetzen zu können.“ Auch polysportives Training hilft – Basketball, Leichtathletik und Geräteturnen stehen in der Akademie auf dem Lehrplan. „Je mehr Elemente man aus anderen Sportarten aufsaugt, desto größer ist der Bewegungsschatz“, sagt Böcksteiner. „Drehen sich die Spieler am Reck, schulen sie ihren Gleichgewichts- und Orientierungssinn und trainieren ihre Körperspannung. Korbwürfe im Basketball können Outeinwürfe im Fußball verbessern. Als Jugendlicher sollte man möglichst viele Reize aufnehmen, um eine breite Palette an koordinativen Fähigkeiten zu entwickeln.“ Ganzheitlichkeit ist auch im Krafttraining der Schlüsselbegriff, die Experten der steirischen Talentschmiede schwören auf funktionelle Fitness. Mit dieser boomenden Workout-Methode werden Muskeln nicht isoliert trainiert, der Körper wird im „50 Ballkontakte im Training sind zu wenig. Damit sich ein Spieler weiterentwickelt, müssen es schon 500 sein.“ FERDINAND FELDHOFER, INDIVIDUALTRAINER Ganzen gekräftigt. Trainiert wird vorwiegend mit dem eigenen Körpergewicht, Liegestütz-, Kniebeugen- und Klimmzugeinheiten spulen die jungen Kicker ab. „Wenn sich die Spieler auf dem Platz bewegen, arbeiten verschiedene Muskeln und Gelenke auf komplexe Weise zusammen“, erklärt Sportwissenschafter Alexander Kontra. „Durch das Training natürlicher und fußballspezifischer Bewegungsabläufe wird das Zusammenspiel des gesamten Körpers gefördert und der Spieler wird belastbarer.“ Ausdauer, Beweglichkeit und Körperstabilität werden dadurch verbessert, die Verletzungsgefahr wird gesenkt. Akademiearzt Dr. Bernhard Zwick spricht vom „dreidimensionalen“ Spieler: „Im Gegensatz zu einem 100-m-Sprinter läuft ein Fußballspieler nicht nur in eine Richtung. Er bewegt sich nach rechts und nach links, zurück, hinauf und hinab. Wenn jemand ge foult wird und funktionell fit ist, rollt er sich ab, verhindert dadurch Verletzungen und kann bei guter Orientierung im Raum seine Bewegung im Idealfall fortsetzen.“ Getestet wird die funktionelle Fitness mit dem Functional Athlete Screen (FAS), einer komplexen Testbatterie, die sich aus 28 Bewegungstests zusammensetzt – von der Halswirbelsäule bis zum Sprunggelenk. Der zweimal jährlich durchgeführte Test liefert aber bei Weitem nicht die einzigen Daten, die gesammelt werden: Belastungs-EKG, Herzultraschall, Labor- und Laktattests werden abgewickelt, nichts wird dem Zufall überlassen. Fußballtheoretiker schreiben vom gläsernen, vom durchsichtigen Spieler. „In der Akademie sprechen wir nicht von Defiziten, die wir messen, sondern von Potenzialen“, sagt Bernhard Zwick. „Wir fragen uns, in welchen körperlichen Bereichen wir die Athleten verbessern können.“ Auch während der Rehabilitation: Wenn sich ein Spieler am Knöchel verletzt FOTOS: Thomas Polzer 112 SPORTaktiv

EINWURF hat, kann er daran arbeiten, seine Lendenwirbelsäule zu stabilisieren oder seine Schultermobilität zu steigern. „Unser Ziel ist es, den Spieler zu einem besseren Athleten zu machen, als er es vor seiner Verletzung war“, sagt Zwick, der auch die Wichtigkeit des biologischen Alters betont: „Jugendliche entwickeln sich unterschiedlich schnell. Wenn zwei Spieler am gleichen Tag Geburtstag haben, heißt das noch lange nicht, dass sie auch biologisch gleich alt sind. Das sollte man bei der Arbeit mit Nachwuchsfußballern nie vergessen.“ DER KOPF SPIELT MIT Jahrzehntelang wurde sie stiefmütterlich behandelt, mittlerweile nimmt aber auch die Sportpsychologie einen wichtigen Part im Nachwuchsfußball ein. Coachability, Emotionsregulation, Erholungsmanagement, Motivation – mentale Kompetenzen wie diese werden mit den Spielern erarbeitet und trainiert. „Wir wollen keineswegs emotionslose Fußballer ausbilden“, sagt Sportpsychologe Thomas Kayer. „Es geht darum, den Spielern zu zeigen, welche Emotionen ihre Leistung fördern können und welche sie blockieren.“ Beispiel Schiedsrichterfehlentscheidung: „Wenn ich mich für drei, vier Sekunden aufrege, ist es okay. Wenn ich aber zehn Minuten lang über eine falsche Entscheidung nachdenke, kann ich mein Potenzial nicht abrufen.“ Um das zu verhindern, werden mit den Spielern Emotionsrituale entworfen. Fest in den Boden stampfen kann ein solches Ritual sein, lautes Aufschreien oder ein kurzer Sprint. „Wenn man sich ärgert, werden bestimmte Hormone im Körper verstärkt ausgeschüttet. Durch Bewegung lassen sie sich schneller abbauen“, sagt Kayer. Das Ritual dient auch als Schlüsselreiz, der eine positive Reaktion hervorrufen soll. „Wenn der Spieler das Ritual vollzogen hat, weiß er, dass er sich wieder voll aufs Spiel konzentrieren muss. Das hat er verinnerlicht.“ Für die Spieler sei es wichtig, nicht zu nervös, aber auch nicht zu entspannt in ein Spiel zu gehen – sie sollten den richtigen Aktivierungslevel finden. Atemtechniken sind hier ein beliebtes Mittel. „Allein durch die Konzentration auf die Atmung lässt sich Druck abbauen“, sagt Kayer. „Wenn ich beim Atmen mitzähle, kann ich nicht gleichzeitig daran denken, was der Papa bloß sagen wird, wenn ich den Elfmeter verschieße.“ Der mentalen Ermüdung kann mit „Stoßatmung“ vorgebeugt werden: Durch das schnelle Einatmen in die Brust wird der Körper mit Adrenalin durchflutet, durch Abklopfen der Schenkel wird er besser durchblutet, was auch die Konzentration fördert. „Es gibt so viele Tricks, um sich als Spieler mental zu verbessern.“ Der Weg zum Profifußballer ist kein leichter. Nicht jeder, der in Graz-Messendorf trainiert, wird sich im bezahlten Fußball durchsetzen. Andererseits: Ein David Alaba kickte schließlich auch mal in einer Akademie. Aktivität als Erfolgsgarant Die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich steht vor der Tür und die Vorfreude auf dieses Turnier wächst von Tag zu Tag, zumal die Leistungen unseres Teams während der gesamten Qualifikationsphase durchaus Grund zu Optimismus geben. Doch auch unsere Frauenteams und unsere Nachwuchsmannschaften haben in letzter Zeit sehr erfreuliche Leistungen gezeigt. Einer der vielen Erfolgsfaktoren dieser sehr positiven Entwicklung ist mit Sicherheit die hervorragende Jugendarbeit des ÖFB. Das europaweit erfolgreiche „Projekt 12“, das auch in dieser SPORTaktiv-Ausgabe vorgestellt wird, ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür. Dieses Individual-Fördermodell für die besten Talente unseres Landes wurde 2009 vom ÖFB in Zusammenarbeit mit dem Sportministerium sowie der Österreichischen Fußball-Bundesliga initiiert und erst kürzlich bis zum Jahr 2018 verlängert. Das Projekt12 setzt dabei auf Wechselwirkungen zwischen Breitenund Spitzensport. Talente aus dem Breitensport werden gezielt auf den Spitzensport vorbereitet – und dienen später wieder als Vorbilder für den Breitensport. Ein interessanter Beitrag in dieser Ausgabe ist dem Betriebssport gewidmet. Auch hier befinden wir uns auf einem guten Weg. Aktive Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind kreativer, leistungsfähiger und erfolgreicher. Immer mehr Unternehmen sehen es deshalb als ihre Verantwortung, den Mitarbeitern und Führungskräften ein gesundes Arbeitsumfeld anzubieten. Es gilt dabei freilich noch vielerorts weitere Überzeugungsarbeit zu leisten. Im Sportministerium wollen wir dabei natürlich mit gutem Beispiel vorangehen! Mit sportlichen Grüßen, Dr. Samo Kobenter Sektionschef BMLVS Nr. 3; Juni / Juli 2016 113

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