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SPORTaktiv Juni 2019

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60 SPORTaktiv LAUFEN NACH FRUCHT­ KONZENTRAT

PACEMAKER HELFEN, EINE PERSÖNLICHE BESTZEIT INS ZIEL ZU BRINGEN. UNSER AUTOR HAT DAS BEI DIVERSEN MARATHONS SCHON GUT 20 MAL GEMACHT. SEIT KURZEM HILFT IHM DABEI EINE ASSISTENTIN. VON KLAUS HÖFLER Fotos: Sportograf/Laufen hilft, Helmuth Weichselbraun, Kränten läuft, Graz Marathon Eine neue Bestzeit wolle er laufen. Den Halbmarathon endlich unter 1:45 finishen. Ob ich ihn „pacen“, also als Schrittmacher begleiten könne, hat er gefragt. Ein „Fünfer-Schnitt“ ist dafür notwendig – wäre nicht das erste Mal, dass ich diese Zeit als „Hase“ ins Ziel bringen soll. „Mach’ ich, schaffen wir!“ Am Tag davor drehe ich noch schnell eine Trainingsrunde, um mich auf das gewünschte Renntempo einzuschwingen. Und da ist es dann: dieses Lied, das sich aus dem Radio direkt in mein Ohr geschlichen hat und einfach nicht mehr raus will. Sie hieß Cordula Grün Ich hab sie tanzen gesehen Dann hab‘ ich sie noch gefragt Ob sie morgen mit mir Einen Tee trinken mag Oder ein Fruchtkonzentrat Just diese letzte Textzeile kreist fortan auf einer Umlaufbahn zwischen linkem und rechtem Innenohr. „... oder ein Fruchtkonzentrat“. Bäng. Bäng. Bäng. Die nachgeschobenen Klavierbässe stampfen bis direkt in die Füße und synchronisieren sich mit dem Schritttempo. „... oder ein Fruchtkonzentrat“. Ein Blick auf die Uhr: 4:59, 5:01, 5:00. Passt. Dass das Lied in der Originalversion eigentlich einen Tick langsamer gesungen, wird als die Stimme in meinem Ohr es dahinsummt, ist egal. Ich habe meinen Rhythmus – Bäng. Bäng. Bäng. – und der Kollege einen Pacemaker, der ab dem zweiten Kilometer nur zu kurzen Kontrollzwecken auf die Uhr schauen muss. Es mag Begabung, Erfahrung oder Übung (oder eine Mischung aus allem) sein, uhrwerkartig und auf die Sekunde die immer selben Durchgangszeiten auf den Asphalt trommeln zu können. Jedenfalls macht es Spaß, jenseits des eigenen Rekords andere dabei zu unterstützen, eine persönliche Bestzeit oder ein selbst gestecktes Ziel zu erreichen. Sie zu pushen wenn’s schwer wird, aber das Ziel noch weit ist, sie zu bremsen, wenn der eigene Übermut den gesunden Respekt vor der Distanz zu verschlucken droht. Sie mit Wasser oder guten Ratschlägen zu versorgen, mit Anekdoten oder Fragen nach dem Training von der Anstrengung abzulenken. Am ersten Kilometer ist das noch wenig sinnvoll. Da herrscht Stop-and-go-Verkehr. Ausweichen, gehen, schieben, trippeln. Ein Ausnahmezustand. Für jede(n). Besonders für Pacemaker. Es gilt, möglichst schnell durch das nervöse Startgewurrl und in den gewünschten Rhythmus zu finden. Das war früher einfacher. Früher, das war die Zeit, als noch nicht jede(r) eine dieser alles messenden und alles wissenden, dauerpiepsenden Sportuhren mit Schrittzähler und GPS-Ortung, Stop- und Intervallfunktion, Kalorien- und Herzschlagmessung am Handgelenk hatte. Damals galt scheinbar ein unausgesprochener Vertrauens- grundsatz nach dem Motto: „Ich folge ihm einfach, er wird hoffentlich wissen, was er tut.“ Heute hört man schon 400 Meter nach dem Start besorgte Fragen, ob sich das „eh noch ausgeht“, weil man ja – die Uhr hat hektisch Alarm geschlagen – schon drei Sekunden hinter der Sollzeit liegt. Echt jetzt? Beruhigen ist angesagt. Fraglich bleibt, ob in der Aufregung der Tipp ankommt, sich Immer der Fahne nach: Viele größere Lauf-Events wie hier „Kärnten Läuft“ setzen auf Pacemaker für alle möglichen „Schallmauern“. doch lieber auf die Landschaft, die Zuschauer oder das eigene Gefühl zu konzentrieren, statt sich von seiner Uhr in Geiselhaft nehmen zu lassen. Das mit dem Tempo – keine Panik. Dafür gibt’s ja Pacemaker, die einen mit einer vorab festgelegten Zeit ins Ziel bringen. „... oder ein Fruchtkonzentrat“. Was sagt die Uhr? 4:58 am Kilometer. Passt. SPORTaktiv 61

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