Das ist tatsächlich gar nicht so einfach, weil man beizeiten schon ein Problem hat, zuzugeben, dass man Angst hat. Es braucht Mut Angst zuzugeben, da muss man echt mutig sein. Das Angst zugeben passiert am besten in einer Seilschaft, in der man sehr sehr miteinander vertraut ist. Wie bei dir mit deinem Bruder Thomas. Genau. Da wird einfach alles angesprochen. Und da kann es vielleicht auch sein, dass sich die Sorge als unbegründet herausstellt im Gespräch. Im Grunde ist es aber so, wenn einer ein schlechtes Gefühl hat, gibt’s nur eines: umkehren. Du sagst auch, dass Bergführer alle Gefahren vermeiden sollen und damit oft „Abenteuer-Vermeider“ werden. Es ist ein Phänomen unserer Gesellschaft, dass man versucht, alles an Gefahren einfach auszublenden. Wir sind ja auch schon ein ganz großes Stück weit weg vom natürlichen Leben. Da machen sich beizeiten die Ängste wieder selbstständig. Weil ihnen quasi schon eine reale Grundlage fehlt, sich zu entwickeln. Früher vor 500 Jahren, wenn du auf einem Bergbauernhof gewohnt hast, da warst du gefordert. Du hast wirklich Sorge dafür tragen müssen, dass du übern Sommer genügend Nahrungsmittel generierst, damit du übern Winter kommst. Für psychische Erkrankungen war auf einem Bergbauernhof gar kein Platz. Da gab es weniger Anlässe dafür, eine Depression oder Perspektivlosigkeit zu entwickeln als heute. Heute wirst du arbeitslos und fühlst dich schnell gescheitert in unserer Gesellschaft. Du kannst zwar weiterleben, weil die Gesellschaft über die Grundsicherung die Sorge trägt, aber wer ist schon gerne arbeitslos? Wer ist gerne perspektivenlos? Und das ist genau das, was unsere Gesellschaft für unseren Geist so herausfordernd macht und warum es auch heute so viele psychische Erkrankungen gibt. Von 100 Jahren hat jeder auf einem Berg bauernhof seinen Platz gehabt. Die Arbeitskraft eines jeden war notwendig, egal wie fähig er war. Man hat seine Aufgabe zugewiesen bekommen und die WENN EINER EIN SCHLECH- TES GEFÜHL HAT, GIBT’S NUR EINES: UMKEHREN. war auch da. Das fehlt uns heute und das macht auch Platz für viele psychische Erkrankungen. Weil es unsere Gesellschaft für den Geist sehr herausfordernd macht. Als Bergführer: Lässt du Leute im dosierten Maß Risikokompetenz erlernen, mit dir als Sicherheitsnetz? Man kann als Bergführer so unterwegs sein, dass die Leute nur den Service bekommen und sicher in den Bergen unterwegs sind. Der Großteil wird so unterwegs sein, dass der Gast auch selbst profitiert. Ein guter Gast, der mit einem guten Bergführer unterwegs ist, der wird auch selbst etwas im Bergsteigen dazulernen. Natürlich wird das Ganze reflektiert und es gehört zum gelebten Miteinander, dass man mitteilt, warum man jetzt welche Entscheidung trifft. Und wenn die anderen offene Augen haben, offene Ohren, dann hören sie zu, nehmen wahr und lernen selbst dabei. Du schreibst auch von deiner persönlichen Angsterkrankung … Wollen wir darüber auch reden? Absolut, die Erkrankung war einer der Hauptgründe für dieses Buch. Ich habe es bei mir selber beobachtet, was passiert, wenn man lange genug versucht, Problemen im Leben aus dem Weg zu gehen. Ich hab über längere Zeit gewisse Probleme in meinem Leben ignoriert, bin immer den Sachen davongelaufen und hab halt immer wieder versucht ein altes Prinzip zu verwenden. Nächster Berg. Erfolg beim Bergsteigen, Klettern und dann ist einmal wieder alles gut. Das funktioniert. Da lassen sich die Probleme des Lebens in der Euphorie des Erfolgs ausblenden. Aber: Wenn die grundlegende Problematik nicht beseitigt ist, dann kommen die Probleme wieder. Und irgendwann ist es dann so, dass dir kein Erfolg mehr hilft, über Probleme drüberzukommen. Und so war es dann bei dir. Da waren finanzielle Probleme über längere Zeit, Kritik von anderen, die man 148 SPORTaktiv
sich viel zu stark zu Herzen nimmt. Und irgendwann war die Gemengelage langandauernd und schwer genug, dass ich meine seelische Mitte nicht mehr hatte. Da war ich am Berg und hatte wieder einmal das Gefühl, so einen Erfolg erzwingen zu müssen. Trotz schlechter Bedingungen am Berg und auch sonst war alles so, dass man nicht zum Erfolg kommen kann. Ich spürte nicht mehr die Freiheit, in die Berge zu gehen. Die Berge wurden für mich zu einem Zwang. Ich hatte gar keine grundlegende Motivation, keinen inneren Antrieb mehr, da raufzusteigen. Ich hatte die Freude am Bergsteigen verloren und das war für mich tatsächlich dramatisch, denn bis dahin waren doch die Berge einer der tragenden Grundpfeiler in meinem Leben. Aus dem Hobby ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit geworden. Es ist passiert, dass sich das in einem schleichenden Prozess in meinem Denken eingepflanzt hat. Und dann war da diese massive Angst, dass ich die Freude am Bergsteigen verloren habe und eigentlich nicht mehr weiß, was ich in meinem Leben anfangen soll. Da bin ich wirklich vom einen ins Nächste reingestolpert. Die wichtigste Entscheidung war dann, dass ich einen Therapeuten aufsuche, mit dem ich meine Gedanken sortiere. Eins ist mir da schnell vermittelt worden, nämlich dass ich die Freude am Bergsteigen nicht verloren habe. Sondern dass sie überlagert wurde. Man kann jetzt wirklich sagen, einfach mal den Reset-Knopf drücken und von Grund auf die Festplatte neu programmieren. Mit den gleichen Voraussetzungen im Leben, nämlich dass ich ein Bergsteiger bin, dass ich natürlich eine Lebensfreude hab. Das war ein Weg, der mit kleinen Schritten beginnt, der aber erfolgreich und sicher war. Das Wichtige ist: Man muss das noch halbwegs rechtzeitig machen und nicht dann, wenn die Hütte schon lichterloh brennt, also die Psyche. Da war ich kurz vor knapp unterwegs. Was hast du aus dieser Angsterfahrung gelernt? Als ich Jahre später im Buch „Der Berg in mir“ das erste Mal über die Angst geschrieben hab, habe ich sehr viele positive Rückmeldungen bekommen, die dann zu dem neuen Buch geführt haben. Am Ende kann ich sagen: Ich habe gewonnen. Allerdings ist es immer gut, wenn man so eine Krise nicht so massiv auslebt. Deswegen: nicht bis zum Schluss warten, sondern sich relativ zeitig jemanden suchen, mit dem man sich kompetent auseinandersetzen kann. Die Gesellschaft ist so herausfordernd für unseren Geist. So herausfordernd, dass es leider immer wieder mal notwendig wird, dass man solche Hilfe in Anspruch nehmen sollte. Warum haben die Berge so eine magische Anziehungskraft? Eine größere als bei vielen anderen Sportarten? Ich bin gerne draußen unterwegs. Nicht nur am Berg. Aber wenn ich oben steh und runterschauen kann, dann ist das ein erhabenes Gefühl. Über den Dingen stehen, das kann man am Berg sehr real erleben. Und wenn man am Berg dann auch noch wirklich steil unterwegs ist, dann ist das natürlich mit Gefahr verbunden. Das reizt den Menschen, das bringt ihn ein Stück weit zurück zum ursprünglichen Leben, denn Gefahren waren schon immer Bestandteil unseres Lebens. Sicher, man will sich nicht hirnlos mit Gefahren auseinandersetzen, die unkontrollierbar sind, aber wenn’s steil ist und man konzentriert steigen muss und man macht das den ganzen Tag lang, dann ist man am Abend einfach erfüllt. BUCHTIPP Alexander Huber: „Die Angst, dein bester Freund“ Warum Angst beim Klettern eine gute Sache ist und was wir im Tal daraus lernen können. PHOTO Hansi Heckmair ENTDECKE UNSERE DIGITALE AUSBILDUNGS- PLATTFORM FÜR HOCH- TOUREN Profi Know-How AKADEMIE FÜR ALPINISTEN ORTOVOX SCHÜTZT. Mit unseren Produkten und mit der Vermittlung von Expertenwissen. In unserem neuen SAFETY ACADEMY LAB ICE haben wir gemeinsam mit dem Deutschen Bergführerverband die Hochtouren-Kunde multimedial aufbereitet. Kostenloses Know-how, Tests & Tipps für die alpine Königsdisziplin. Unsere Ausbildungsplattform findest du unter ortovox.com 18 T utorials Interaktives E-Learning
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