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SPORTaktiv Juni 2020

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GRAVEL Englisch für:

GRAVEL Englisch für: Schotter. Mit Gravelbikes sind Rennräder gemeint, die dank breiter und mehr oder weniger profilierter Reifen und robuster Ausstattung auch für Feldwege, Schotterstraßen und leichtes Gelände konzipiert sind und damit die Nische zwischen Rennrad und Mountainbike besetzen. Genaue Definitionen gibt es (noch) nicht. Ideal für: Abenteuer, Weltreise, aber auch Eissalon und mit dem „Go anywhere“-Versprechen vermutlich für alle Bedingungen der Apokalypse. Gravelfahrende Männer tragen Schnauzer, Oberlippler, auf jeden Fall Bärte, lange Bärte, und das wieder modische Kapperl. Damit wirkt man selbst im urbansten Wien wie im sandigen Idaho. Mal selbst ausprobieren: Auf einem Gravelkbike fühlt man sich gleich doppelt so verwegen. Anmerkung: Natürlich darf man Gravel auch fahren, wenn man nicht so aussieht. Apropos USA: Dort gibt es längst eigene Gravelrennen, ganz entspannt, oft ohne herkömmliche Zeitnehmung, wo ein enormer Frauenanteil (bis zu 30 Prozent) verzeichnet wird. In unseren Breiten haben auch viele Frauen durch Gravel bikes, die neue Entspanntheit und die lässige Gravel-Mode zum Radfahren gefunden. Die breiten Reifen und Scheibenbremsen sorgen nämlich für Spaß genauso wie für ein sicheres Fahrgefühl. Damit tun sich speziell Anfänger leicht, die sonst vor den 25 mm dünnen Rennradreifen viel Respekt haben. „Ja, das ist sicher ein Verkaufsargument“, bestätigt Claudia Egginger, die für den Schweizer Hersteller BMC arbeitet und dank ihrer Rennerfahrung im MTB-Marathon Infos aus erster Hand hat. „Es funktioniert aber allgemein so gut, weil Gravel im Radsegment nicht so getrieben wirkt. Es heißt nicht immer ,Kette rechts‘ und 30er-Schnitt, es geht auch um Abenteuer und Bikepacking. Das spricht Männer und Frauen an“, weiß die Verkaufsleiterin von BMC Österreich. „Klassische Rennradfahrer genauso wie die Anti-Wettkampfszene und die Anti-Lycra-Typen, die dann erstmals 100 km fahren. Gravel lässt sich in keine Schublade stecken.“ Bei BMC hat sich die neue, spektakuläre Reihe „Urs“ nicht aus der bestehenden Cyclocross-Palette entwickelt, sondern ganz eigenständig, und wird auch innovativ als „Gravel Plus“ bezeichnet. „Unsere Produktentwickler hatten völlig freie Hand und haben vom weißen Blatt weg begonnen. Das ist voll aufgegangen, das Feedback ist sensationell“, freut sich Egginger (siehe auch Praxistest rechts). Noch einmal zurück zu den Gravel-Events. Wer eine Rotweinbottle in der Flaschenhalterung sehen will, einen Schlafsack um den Lenker gewickelt und ein Zelt in der Packtasche, sollte bei einem Gravelrennen vorbeischauen. Heuer erstmals in Österreich, gastiert die Jeroboam-Serie mit einer exklusiven Auftaktveranstaltung am 2. und 3. Oktober in Velden (Kärnten). Veranstalter ist Ex-Profi Johnny Hoogerland, die Strecken sind 75 und 150 km lang – es ist kein Rennen (www.bohemians.cc.). Von den schon vereinzelt in Europa in Szene gegangenen Events kennt man die lässigen Videos: Rad fahren mit einem Lachen im Gesicht, Lagerfeuer, Bier, Livemusik, erdiges Underground-Flair. Das passt auch gut zum bikenden Hipster aus der Anwaltskanzlei und zieht ihn magisch an. Fotos: Titici, Specialized, Christoph Heigl Ist das noch ein Gravelbike oder schon ein Mountainbike? Das neue Specialized Diverge Evo (oben) lässt die Grenzen endgültig verschwimmen. Daneben gibt es klassische Konzepte wie das A-GR01 von Titici (rechts). 70 SPORTaktiv

Luft und Reifen machen’s aus Im Zentrum stehen natürlich die Räder, eine neue Gattung? Auf den ersten Blick sind es immer noch Rennräder, wenn auch mit aufrechterer Sitzposition und nicht so aggressivem Lenkverhalten. Die Breite der Reifen variiert stark zwischen 32 und 54 mm, Luftdruckempfehlungen schwanken zwischen 2 und 6 bar – das sind Welten. Aber auch schön: Es kommt wieder auf Räder und Reifen an und nicht auf irgendeinen Motor (auch wenn es längst Gravelbikes mit Motor gibt). Viele Räder haben Vorrichtungen für bis zu drei Trinkflaschen, Gepäckträger, Kotflügel und Lichtanlagen, manche nur noch ein Kettenblatt (1 x 12 , also nur zwölf Gänge). Die Radindustrie freut sich über neue Produkte und Kunden: Gravelbikes sorgen für niedrige Einstiegspreise ab 1000 Euro genauso wie für fünfstellige Summen im High-End-Bereich. Die Frage bei Federung, Breitreifen und Co. ist nur: Komplett zu Ende gedacht und wenn sich der Kreis schließt, kommt am Ende doch wieder ein Mountainbike raus, oder? Das neue Diverge von Specialized gibt es mit Federung im Steuersatz, mit Dropper- Seat post und jetzt auch mit flachem Lenker („flat bar“). So schaut es aus wie ein Mountainbike von 1990. Back to the Future? Ja, warum nicht? Das Gravelbike wird in Magazinen und auf Websites unter der Rubrik Rennrad geführt. Anders als die klassische Rennrad- und MTB-Szene ist die neue Gravel-Generation raduntypisch aber sehr aufgeschlossen für Neues und kann die nächste Evolutionsstufe von Rahmen, Reifen und Rotweinflaschenhalterungen kaum erwarten. PRAXISTEST BMC URS ONE URS, DU BIST MEIN BESTER FREUND Wunderschöner, eleganter Rahmen, kantige, knackige Form – das dominiert den ersten Eindruck vom BMC Urs One. Das brandneue Gravelrad der Schweizer Innovationsexperten hat das Potenzial, Hälse zu verdrehen und Augen zum Rollen zu bringen. Ersteres wegen der spektakulären Optik und Fertigungskunst, Zweiteres wegen des Preises von 8999 Euro. Aber das Urs zählt zum Extremsten, was das Segment hervorgebracht hat, und ist eben absolute Luxusklasse. Und vorweg: So fährt es sich auch. Das Einsteigermodell beginnt übrigens bei moderaten 2999 Euro Das mit spaciger Sram-eTap-Funkschaltung ausgestattete Urs (das steht für den Schweizer Vornamen genauso wie für UnReStricted, „uneingeschränkt“) rollt auf leichten Carbon-Gravel-Laufrädern von DT Swiss (1540 g) und 42-mm-Reifen von WTB (440 g). Diese Kombi sorgt für einen megasteifen und raketenhaften Antritt des nur 8,23 kg schweren Rades. Im leichten Gelände bergauf schneller als jedes Mountainbike, auf der Straße mehr als ausreichend flott. Der Clou: Der Hinterbau hat ein Federsystem (MTT, 8 mm) und dämpft Erschütterungen erfolgreich weg, vorne ließe sich sogar eine Federgabel nachrüsten. Ende Gelände heißt es erst, wenn Trails rumpelig und wurzelig werden. Der unten breit ausgestellte Lenker ist top. Auf der Straße lässt sich mit den 42er-„Walzen“ problemlos dahinglühen, wenngleich nicht ganz so schnell wie mit einem Straßenrennrad. Schlechter Asphalt verliert aber völlig an Schrecken, wenn man den Reifendruck von den 4.0 bar Maximum (knallhart) in Richtung 2.0 bar Minimum senkt. Urs kann supersportlich genauso wie superkomfortabel, tatsächlich wird man abenteuerlustig und probiert neue Trails, Straßen und fährt in unbekannte Täler hinein. Man verspürt Abenteuerlust, Urs ist immer und für alles gerüstet. Schotter, Asphalt, Wiese, Wald. Einmal um die Welt fahren? Gerne, Urs, du bist mein neuer bester Freund. Ausstattungsdetails: www.bmc-switzerland.com SPORTaktiv 71

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