Eines der letzten Bilder (links) von einem Traum-Neuschneetag 2006, der fatal endete. 2018 ist Dietmar Scherjau dabei, das Trauma nach dem Lawinenunfall endgültig zu überwinden. Scherjaus Freundin, die er zum Zeitpunkt des Unglücks hatte, stand zu ihm. 2008 dachten beide: „Eine größere Prüfung für eine Beziehung kann es nicht geben.“ Ein Irrtum. Sie heirateten 2008 – 2010 folgte die Scheidung. Im selben Jahr lernte er seine heutige Lebensgefährtin kennen, eine begeisterte Sportlerin, die ihn erstmals wieder zu einer Skitour mitnahm. Mit neuen Skiern, die ihm Freunde zum Studienabschluss schenkten. Jene, die er beim Unglück fuhr, standen noch im Keller: K2 Seth Pistol, mit Totenkopf-Graphics und dem Aufdruck: „Destroy yourself“. „Die passen nicht mehr“, fanden Scherjau und die neue Frau in seinem Leben. Der Film nach acht Jahren Diese, von Beruf Shiatsu-Praktikerin, brachte ihn dazu, viel aktiver an der Aufarbeitung des Traumas zu arbeiten. „In Extremsituationen reagiert der Körper mit Kampf, Flucht oder Starre. Ich war in einer jahrelangen Starre gefangen.“ Scherjau machte Therapien, probierte Unterschiedlichstes. Ein Maori nahm ihm endlich das Schuldgefühl. „Ich verstand danach, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist“. Und die zweite Schlüsselfrage – warum gerade er überlebte? „Die haben mir meine Kinder beantwortet“, lächelt Dietmar Scherjau. Der Sohn wird im März sechs, die Tochter wird zwei. 2014 entschied sich der Techniker zu einer Ausbildung zum „Natur- und Wildnistrainer“. Einer von nativen Völkern beeinflussten Philosophie, die das Leben mit der Natur propagiert, Achtsamkeit der Natur gegenüber, Nehmen und Geben statt achtlosen Konsumierens. Gleich zu Beginn dieser Ausbildung, im Moos zwischen zwei Felsen sitzend und auf einen Berghang schauend, konnte er sich plötzlich an das Unglück erinnern. Es lief wie ein Film ab: Die Fahrt im Lift, der kurze Aufstieg. Bei Lawinenwarnstufe zwei bis drei fuhren die Freunde einzeln ab, Scherjau voraus. Der Dritte fuhr zu weit Richtung Rinne, Scherjau schrie, fuchtelte mit den Armen. Es folgte das Wumm-Geräusch, das bedrückende Gefühl, die Abrisskante. Die beiden am Haltepunkt Stehenden blickten sich noch kurz an, da begann schon der Boden unter ihnen zu schwimmen. „Ein kostbares Geschenk“ nennt Scherjau die nach acht Jahren aufgetauchte Erinnerung. Geländeskifahren genießt er heute wieder sehr. Mit Vorsichtsmaßnahmen, die er aber (mit Abstrichen) auch vor dem Unfall getroffen hat. „Jeder muss auf sich selber vertrauen. So viel Wissen wie möglich aufbauen. Und es muss nicht immer das beste und größte Erlebnis sein“, so der Kern seiner Botschaft. Er möchte anderen, die Ähnliches erlebt haben, anbieten, sich mit ihm auszutauschen. „In der Rehabilitation habe ich mir häufig so jemanden gewünscht.“ Dass der Unfall ihn auch menschlich verändert hat, hat ihm einmal die Frau seines besten Freundes gesagt. Ein Kompliment. „Früher war ich vielleicht überheblich, habe Leute verarscht, die weniger sportlich waren. Aber ich war auch selbstkritisch, was meine eigene Leistungsfähigkeit angeht. Heute sehe ich das alles völlig gelassen.“ Dietmar Scherjau genießt den Moment. „Das versteht man erst richtig, wenn man Kinder hat. Für das Leben im Hier und Jetzt sind sie die besten Lehrmeister.“ Fotos: Dietmar Scherjau 184 SPORTaktiv
OUTSIDE OLD SCHOOL STATT DIGITAL TOTAL HERBERT RANGGETINER ... ist Profikletterer und einer der besten Extrem kletterer Europas – und ein „Querdenker“ der Outdoorsport szene. In seiner „Outside“- Kolumne lässt er die SPORT aktiv-Leser an seinen Gedanken teilhaben. Ich sitze zufällig mit meinen Kids vor dem Fernseher, als ein Zeichentrickfilm läuft ... Äh, okay, ich sitze bewusst und im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte vor dem Fernseher und zieh mir „Wickie und die starken Männer“ rein. Diese geniale Folge wo Wickie von den Wölfen gejagt wird, und was mit einem Grinsen beginnt, endet im Lachanfall – legendär! Ein 40 Jahre alter Zeichentrickfilm, einfache Bilder, traumhafte Geräuschkulisse, saugut. Eine Woche später sehe ich (zufällig) die neuen 3D- Folgen und schalte weg. Emotionales Harakiri, ein Trauerspiel. Der kleine, pfiffige Wikinger in 3D und Dolby Surround – jetzt ist Schluss mit lustig! Ohne sich kalte Füße zu holen, geht man heute per virtueller Brille vom Sofa in den Wald, gesprochen wird mit dem Handy, trösten übernimmt „Alexa“. Wir sind da noch sehr „old school“, schreiben uns keine SMS, sondern reden miteinander. Krass, oder? Die Kids spielen bei jedem Wetter draußen, werden dreckig und nageln Baumhütten zusammen, statt Handy gibt’s Mensch ärgere dich nicht. Kleidung wird nicht aus Spaß auf Vorrat gekauft, sondern wenn man was zum Anziehen braucht. Es gab eine Zeit, da erkannte man einen Berufsstand an seiner stolz getragenen Kleidung. Auch ich benutze meine gestrickte „Liebling“-Jacke nicht, nein, ich trage sie. Werbung sagt dir, was du brauchst und was dir gut tut, die „Must-haves‘‘ kommen aus „good old America“. Fortschritt bewegt sich oft Schritt für Schritt vom Logischen fort und Schrott ist eben Schrott. Ich bin kein Technikverweigerer, nur old school angehaucht. Bitte lasst mir den Schrecklichen Sven & Co. in der Urversion. Lasst Kinder laut sein, dreckig werden, gebt ihnen „Freiraum“, raus ins Leben. Denn Kinderlachen wird nie altmodisch oder old school! SPORTaktiv 185
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