Weniger Angst, mehr Urvertrauen Auch als Hobbysportler ohne überdurchschnittliche Zahl an wöchentlichen Sportstunden könne man viel von den Extremsport-Größen lernen: „Man kann sich weniger die Leistung, als die Einstellung der Profis zum Vorbild nehmen“, sagt Misch, der auch überzeugt ist: Jeder könne aus dem Buch etwas ins Alltagsleben implementieren. Im Sport oder auch außerhalb davon. Zum Beispiel: „Etwas zu tun, was einen mit Leidenschaft erfüllt. Egal, ob man sich wieder mal aufs Rad setzt oder eine neue Sprache lernt.“ Der Titel „Intensität“ ist auch eine Anspielung auf das Buch des französischen Philosophen Tristan Garcia „Das intensive Leben: Eine moderne Obsession“, erklärt Misch. „Der Begriff ist dort negativ beschaft – neben Zustimmung – auch heftige Ablehnung hervor. Misch bestätigt diese Beobachtung. „Blinde Heldenverehrung“ findet er nicht angebracht. Zugleich habe ihn die Gehässigkeit schockiert, als er etwa in Foreneinträgen zu Nitschs Unfall las, dieser wäre besser gleich gestorben. Misch hält fest: „Es ist schon eines meiner Ziele, zu zeigen, dass diese Sportler alle auch Menschen mit ganz normalen menschlichen Schwächen sind. Andererseits aber faszinierende Persönlichkeiten, aus denen man viel Inspiration ziehen kann.“ Welche gemeinsamen Charaktermerkmale er an seinen Gesprächspartnern feststellen konnte? Zum Beispiel, dass sie vergangenen Leistungen keinen übertrieben großen Wert beimessen. Interessant fand Misch die Zurückhaltung, mit der alle auftreten. Keiner nahm sich selbst besonders wichtig, niemand wäre eine „Rampensau“, einige sogar eher introvertiert. „Es sind durch die Bank Individualsportler, die sehr reflektiert mit der Frage umgehen, wie sie ihre Lebenszeit bestmöglich nutzen.“ In Extremsportarten werde den Protagonisten oft ein Selbstzerstörungstrieb unterstellt, weiß Misch – und weist das zurück: „Die Sportler machen etwas, das sie glücklich macht und was eine Lebenseinstellung für sie ist.“ Das gelte auch für den Tiroler Free-Solo-Kletterer Hansjörg Auer, obwohl über ihn sogar sein Landsmann Peter Habeler sage, er hoffe, Auer höre mit dieser Art von Touren bald auf: „Auch bei Auer ist es die Freude am Tun und das Aufgehen im Moment, wofür er dann auch Risiko in Kauf nimmt“, betont Misch. Selbstbestimmtes Leben Misch wirft im Buch bald auch die These auf, unserer Gesellschaft komme die Selbstbestimmung abhanden. Wie er das meint? Ein drastisches Beispiel: Sein Vater war 2016 an Krebs erkrankt – „fünf Tage vor seinem Tod wurde ihm noch der Wunsch nach einem Eis- lutscher verwehrt, weil sich dadurch irgendwelche Werte hätten verschlechtern können.“ Doch auch an scheinbaren Banalitäten („Essverbot in der U-Bahn“ ...) zeige sich: „Es gibt heute viel zu viele Richtlinien und Verbote. Der gesunde Hausverstand und auch moralische Werte gehen durch die Flut an vorgegebenen Richtlinien verloren.“ Den Extremsport und seine Ausübenden sehe er hier als Gegenpol, „weil sie sich die Freiheit nehmen, etwas zu tun, was sie mit Leidenschaft erfüllt“. Dass diese Freiheit auch mit Egoismus Partnern, Familien und Freunden gegenüber verbunden ist, verschweigt Misch nicht. Oder – eine andere Form von Selbstbestimmung: „Bergsteiger müssen selbst lebensnotwendige Entscheidungen treffen, etwa, ob sie weitergehen oder umdrehen.“ Dadurch, dass uns heute viele Entscheidungen im Leben aus der Hand genommen würden, machten sich dagegen Hobby-Berg sportler immer weniger Gedanken um ihre Sicherheit. „Es wäre besser, den eigenen Kopf einzuschalten, als sich auf die Bergrettung zu verlassen.“ DR. DAVID MISCH ist 33 und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Montan- Universität Leoben (St). Der gebürtige Wiener lebt mit Frau Claudia und zwei Kindern in der Steiermark. „INTENSITÄT – AUF DER JAGD NACH DEM FLOW“ (Egoth 2018, € 24,90) Die Gesprächspartner: Alexandra Meixner (Ultra-Triathlon), Rainer Predl (Ultralauf), Severin Zotter, Christoph Strasser (Ultracycling), Florian Grasel (Ultralauf), Michael Strasser (Ultracycling), Paul Guschlbauer (Paragleiten), Christian Kargl (Segeln), Eugen Göttling (Apnoetauchen), Christian Schiester (Ultralaufen), Wolfgang Fasching (Ultracycling, Bergsport), Josef Köberl (Eisschwimmen), Michael Nussbaumer (Rennveranstalter), Hansjörg Auer, Peter Habeler (Bergsport), Holger Ferstl (Mediziner), Thomas Frühwirth (Handbiker), Herbert Nitsch (Apnoetaucher). In seinem ersten Buch „Randonnèe – Zweifeln, losfahren, ankommen“ hielt Misch 2016 seine Erfahrungen im Ultracycling fest. www.egoth.at 92 SPORTaktiv
David Misch 2015 als Betreuer von Severin Zotter beim Race Across America. Selbst hat er das legendäre Ultracycling-Rennen 2013 bestritten und auf Platz 6 beendet. BERGSCHUTZ* Für jeden die passende Versicherung! Mit dem Bergschutz sind Sie im Falle eines Unfalls bestens versichert: Schon ab € 4,98 Jederzeit online abschließbar: bergwelt.nuernberger.at/versicherungen setzt, ich dachte, das wäre eine spannende Gegenthese“. Dass die Sportgrößen Grenzen überschreiten, wie auch oft gesagt wird, glaubt Misch nicht. Eher würden sie Grenzen für sich anders definieren – auch ein Punkt, der zur Inspiration taugt: „Wenn man Apnoetaucher Herbert Nitsch gegenübersitzt und er einem erklärt, wie es möglich ist, was als physiologisch unmöglich angesehen wird: dann lernt man vielleicht auch, dass nicht jede Überzeugung eine unumstößliche Wahrheit sein muss.“ Etwa der Glaube, ein Verharren in einem ungeliebten Job wäre alternativlos: „Angst sollte nicht der Antrieb im Leben sein. Etwas mehr Urvertrauen wäre angebracht.“ Dass er Skeptiker extremer Sportarten nur schwer wird überzeugen können, ist dem Autor auch klar. Was er sich wünscht: „Die Offenheit, über etwas nicht zu urteilen, bevor man ein Mindestmaß an Information eingeholt hat. Selbst bei mir als Sportfreak hat sich durch die Gespräche vieles relativiert – obwohl ich schon über eine hohe Schmerzgrenze verfüge, was sportliche Verrücktheit betrifft.“ *Versicherer ist die GARANTA Versicherungs-AG Österreich
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