Den Weltrekord im Marathon hält Eliud Kipchoge schon – nun will er im Wiener Prater als erster Mensch unter zwei Stunden laufen. „WIE DIE MOND- LANDUNG“ WELTREKORD-MANN ELIUD KIPCHOGE WILL IM WIENER PRATER ALS ERSTER MENSCH EINEN MARATHON UNTER ZWEI STUNDEN ABSOLVIEREN. KANN DAS FUNKTIONIEREN? VON MARKUS GEISLER So gut Lemawork Ketema und sein Trainer Harald Fritz als Laufduo funktionieren – bei der Frage, ob Eliud Kipchoge bei der „INEOS 1:59-Challenge“ schaffen kann, als erster Mensch einen Marathon unter zwei Stunden zu absolvieren, sind sie sich uneins. „Ich glaube nicht, dass es funktioniert“, sagt Ketema. „Er schafft das“, glaubt dagegen Fritz. Eine Uneinigkeit, die sich quer durch die Lauf-Community auf der ganzen Welt zieht. Und die zeigt, wie sehr der Versuch des kenianischen Weltrekordhalters (2:01:39 Stunden, aufgestellt 2018 in Berlin) die Massen bewegt. Wissen werden wir es am 12. Oktober oder an einem der darauf folgenden acht Tage. Denn wenn die Wetterbedingungen nicht mitspielen, macht der Versuch keinen Sinn. „12 Grad, kein Regen und Windstille wären ideal“, weiß Ketema, der die Strecke im Prater auf der Hauptallee aus unzähligen Trainingsläufen wie seine Westentasche kennt. Naturgemäß optimistisch zeigt sich Kipchoge selber, der einen erfolgreichen Versuch auf eine Stufe mit der ersten Mondlandung stellen würde „Einige Leute glauben, es ist unmöglich”, sagte der 35-Jährige. „Ich respektiere ihre Ansicht, sie sollen meine respektieren. Wir werden beweisen, dass die Zweifler falsch liegen.” Mit „wir“ meinte er die etwa 25 Tempomacher, die allein schon für sich genommen ein Weltklassefeld ausmachen würden. Die Ingebrigtsen-Brüder Filip, Henrik und Jakob, Bernard Legat (USA), der Schweizer Shootingstar Julien Wanders und US-Olympiamedaillengewinner Paul Chelimo wollen alle ihren Teil dazu beitragen, dass in Wien Geschichte geschrieben wird. Sie werden sich in Gruppen abwechseln, um das Tempo für Kipchoge ständig so hoch zu halten (nämlich auf etwas mehr als 21 km/h), dass der Coup gelingen kann. Wegen der vielen Pacemaker und der laborartigen Bedingungen wird die Zeit, egal, wie sie am Ende ist, übrigens nicht als offizieller Weltrekord eingetragen. Ein Meilenstein wäre es trotzdem. Vor zwei Jahren gab es diesen Versuch auf der Rennstrecke von Monza übrigens schon einmal, damals verpasste Kipchoge das Ziel um 26 Sekunden. Ein wichtiger Lerneffekt, wie er heute sagt: „Ich war wie ein Boxer, der in den Ring geht und nicht weiß, was geschehen wird. Aber diesmal bin ich vorbereitet und weiß, was passiert.“ Ein Vorteil ist aus seiner Sicht, dass diesmal viele Fans am Streckenrand stehen und ihn anfeuern werden. Und am Ende soll beim Zielbogen auf der Höhe des Ernst-Happel-Stadions gemeinsam gefeiert werden. Foto: GEPA Pictures 116 SPORTaktiv
Fotos: Red Bull Content Pool/Christoph Perkles VON LEGENDE ZU LEGENDE: DAS FRÜHERE SKISPRUNG- ASS ANDREAS GOLD- BERGER ÜBER DEN RÜCKTRITT VON SKI-IKONE MARCEL HIRSCHER. „ER KONNTE SEINEN PERFEKTIONIS- MUS NICHT MEHR BEFRIEDIGEN.“ BYE-BYE, MARCEL! Natürlich habe ich mir den Rücktritt von Marcel Hirscher live im Fernsehen angeschaut. Der Größere meiner zwei Buben meinte: „Schau, Papa, da ist der Marcel, dem wir immer die Daumen drücken.“ „Ja“, meinte ich, „aber jetzt nicht mehr, er hört nämlich auf.“ Da war er voll traurig, hat geweint und gefragt: „Aber wem sollen wir denn jetzt die Daumen drücken?“ Ich gebe zu: Ich hätte mich ja gefreut, wenn Marcel nach den vielen Gerüchten im Vorfeld allen ein Schnippchen geschlagen und gesagt hätte, dass er jetzt doch weiterfährt. Aber ich kann schon nachvollziehen, warum er jetzt einen Schlussstrich zieht. Hirscher ist ein Perfektionist, hat einen irrsinnig hohen Anspruch an sich selbst. Er will immer noch besser und noch besser und noch besser werden. Dabei fährt er längst auf einem Level, wo genau das immer schwieriger wird. Der Tag hat eben nur 24 Stunden, an 23 davon hat Marcel gefühlt ohnehin gearbeitet. Da geht sich – aus seiner subjektiven Sicht – ein Sommer zur Vorbereitung nicht mehr aus, um seinem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Bei mir war es immer so, und ich glaube da ist Marcel ganz ähnlich, dass der Druck von außen nie so groß war, dass er an den Druck, den ich mir selbst gemacht habe, herankam. Was von außen kam, habe ich eher als Motivation wahrgenommen. Klar ärgert es einen, wenn man nach einem dritten Platz gefragt wird, warum es heute schlecht lief. Aber viel mehr ärgert es dich, wenn du weißt, dass du selbst nicht zu 100 Prozent das abgerufen hast, was möglich gewesen wäre. Ich bin mir sicher, dass Marcel trotzdem noch in der Lage gewesen wäre, drei oder vier Jahre vorne mitzufahren. Aber wenn zu dem eben beschriebenen Prozess noch dazukommt, dass du merkst, dass dich andere brauchen, vielleicht noch mehr brauchen als der Sport, dann wird es brenzlig. Als Junger denkst du immer: Es gibt nichts Wichtigeres als den Sport. Aber irgendwann bist du zum zehnten Mal im gleichen Ort, im gleichen Hotel, frierst dir wieder die Zehen ab. Dann denkst du: „Das kenn ich alles schon. Muss ich mir das wirklich noch mal antun?“ Und dann ist es tatsächlich besser, einen Cut zu machen. Ich habe keinen Zweifel, dass Marcel genau weiß, was er mit seiner dazugewonnenen Zeit anfangen kann. Ich habe es irrsinnig genossen, endlich nicht mehr nach meinen Trainingsplänen leben zu müssen. Und auch wenn ich – bis heute – gerne irgendwo springe; aber der Wettkampf, dieses ständige Sich- Messen und Bewertet-Werden, das ist mir nie abgegangen. Ob Marcel noch mal ein Comeback wagt? Ausschließen würde ich es nicht. Und es wäre ein irrsinnig spannendes Projekt. Aber das ist Zukunftsmusik. Eins ist jedenfalls klar: Seinen Nachfolgern hat er die Latte verdammt hoch gelegt, die werden es schwer haben, in seine riesigen Fußstapfen zu treten. Meinem Sohn hab ich jedenfalls gesagt: „Jetzt drücken wir halt anderen Österreichern die Daumen, Stefan Kraft zum Beispiel.“ Da hat er gelacht und war wieder fröhlich. SPORTaktiv 117
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