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SPORTaktiv Oktober 2019

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TARNEN TÄUSCHEN& FINTE,

TARNEN TÄUSCHEN& FINTE, PARADE, RIPOSTE – EIN GUTES GEFECHT IST IMMER AUCH EINE MISCHUNG AUS SCHACH UND POKER. WER SICH ALLERDINGS AUF EINEN ZWEIKAMPF MIT ÖSTERREICHS TOP-FECHTERIN LILLI BRUGGER EINLÄSST, STELLT FEST: ES IST VOR ALLEM EIN SCHWEISSTREIBENDER HOCH- LEISTUNGSSPORT, BEI DEM SCHNELLIGKEIT UND REAKTIONSSTÄRKE NEU DEFINIERT WERDEN. VON MARKUS GEISLER FOTOS: THOMAS POLZER eim Fechten bekommt der Begriff „Aufwärmen“ eine ganz neue Bedeutung. Strümpfe bis zu den Knien, Knickerbocker, bis zum Hals zugeknöpfte Weste, darüber eine Metallweste für die Trefferfläche, Handschuh und natürlich die hieb- und stichfeste Maske – der Schweiß im Salzburger Fechtzentrum rinnt bereits, noch bevor der erste Ausfallschritt gemacht wurde. „Mir taugt es, wenn es immer so schön warm ist“, sagt Lilli Brugger, Österreichs Nummer zwei mit dem Florett und mit 19 Jahren die größte Zukunftshoffnung des Landes. Sie hat leicht reden, denn seit ihrem vierten Lebensjahr ist sie es gewohnt, mit voller Rüstung und am Rücken angeleint über die Planche zu tänzeln. Für mich ist es dagegen die erste Berührung mit dem faszinierenden Kampfsport, der als einziger ohne Gewichtsklassen auskommt und von respektvollem Miteinander genauso geprägt ist wie von taktischen Kniffen, bei denen es auf Tarnen und Täuschen ankommt. Die Grundstellung ist einfach. Die Füße stehen im 90-Grad-Winkel zueinander, bei Rechtshändern geht das rechte Bein nach vorn, die Knie sind leicht gebeugt. Geht es nach vorn, startet man immer mit dem rechten Bein, nach hinten mit dem linken. „Bei einem Angriff geht der rechte Fuß voran, wenn man 122 SPORTaktiv

seine Reichweite schnell und überraschend vergrößern will, macht man einen Ausfallschritt“, erklärt Lilli. Wichtig: Nur wer im Angriff ist, hat das Recht, einen Treffer zu setzen. Erst wenn der Gegner diesen pariert hat, kann er seinerseits punkten. „Und hier kommt die Finte ins Spiel“, erklärt Moritz Hinterseer, bis vor vier Jahren selbst Fechter auf internationalem Topniveau und als Salzburger Landesverbandstrainer auch für Lilli zuständig. „Eine klassische Variante ist, einen Angriff anzutäuschen, die Parade zu umgehen und dann den Treffer zu setzen.“ Dabei gilt die Formel: Einen Angriff sollte man immer wie eine Finte aussehen lassen – und umgekehrt. Klingt logisch, dann können wir ja anfangen. Die Masken, durch die man die Welt wie durch die Augen einer Fliege sieht, werden hochgeschoben, Gegner und Kampfrichter werden begrüßt, indem man die Klinge vors Gesicht hält. „Fechter bereit – los!“ Eigentlich gilt Brugger als eher defensive Fechterin, die langsam in ein Gefecht startet und sich erst einmal anschaut, was ihr Gegenüber macht. Doch so schnell kann ich gar nicht schauen, hat Lilli ihr 550 Gramm schweres und 110 Zentimeter langes Florett auf meine Rippen gestoßen. Treffer! Dass man dabei nur einen leichten Stich und keinen echten Schmerz spürt, liegt an der Schutzweste, in die ich mich zu Beginn gezwängt habe. „Die sind sogar schusssicher“, erklärt Hinterseer, während ich mir überlege, wie ich den nächsten Gegentreffer ein bisschen länger hinauszögern kann. Der Plan: Angriff ist die beste Verteidigung, Fecht-Etikette: Vor dem Kampf stehen sich die Kontrahenten gegenüber und begrüßen sich, indem sie sich die Klinge vors Gesicht halten. Trainer Moritz Hinterseer erklärt, dass beim Florett nur der Rumpf als Trefferfläche gilt und die Spitze einen Druck von 500 Gramm ausüben muss. SPORTaktiv 123

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