ATHLETE’S CORNER VIKTORIA SCHNADERBECK „TROTZDEM GLÜCKLICH“ 132 SPORTaktiv
HIER SCHREIBEN DIE ATHLETEN: ÖFB-TEAMKAPITÄNIN VIKTORIA SCHNADERBECK ÜBER DAS JAHR, IN DEM SIE EIN NEUES ABENTEUER BEIM FC ARSENAL LONDON WAGTE UND NACH EINER SCHWEREN KNIEVERLETZUNG UM IHRE KARRIERE BANGEN MUSSTE. Fotos: imago images/ZUMA Press, GEPA pictures, privat Geduld, das muss ich zugeben, gehört nicht zu meinen hervorstechendsten Eigenschaften. Ich halte es auch ganz schlecht aus, wenn ich keine Kontrolle über die Dinge habe und das Gefühl aufkommt, etwas nicht planen zu können. Ich musste also viel Neuland betreten, als ich vor etwas mehr als einem Jahr die Diagnose „Knorpelschaden im Knie“ bekam. Denn eine solch schwere Verletzung, bei der man mit vielen Rückschlägen rechnen muss und bei der einem kein Arzt sagen kann, ob man überhaupt je wieder Fußball spielen kann, hatte ich noch nie. Und ich musste erkennen: Es gibt Situationen im Leben, in denen man selbst nur Passagier ist. Wo einem der Körper – in meinem Falle das Knie – Tempo und Weg vorgibt. Kurzer Rückblick: Im Sommer 2018 habe ich mich entschieden, nach elf Jahren beim FC Bayern meine Zelte in München abzubrechen und zum FC Arsenal nach London zu wechseln. Als ich meine Siebensachen gepackt hatte, wurde mir noch mal so richtig bewusst, was für ein riesiges Kapitel meines Lebens ich in dem Moment zuschlug. Erfolge, Verletzungen, Freunde, Schule, Studium – ich kam ja schon mit 16 Jahren nach München, wurde dort erwachsen. Das prägt! Dort wurde ich zu dem Menschen, der ich heute bin. Auf der anderen Seite wusste ich: Ich bin bereit für den nächsten großen Schritt. Sportlich ohnehin, aber auch menschlich. Wenn man von Österreich nach Bayern zieht, erlebt man keinen echten Kulturschock, dafür ist alles zu ähnlich. Wenn man hingegen nach London geht, lernt man eine ganz neue Kultur, eine andere Lebensweise kennen, eine neue Sprache sowieso. Wenn eine solch große Entscheidung ansteht, gehe ich BEI ARSENAL WUSSTE ICH SOFORT: ES FÜHLT SICH RICHTIG AN. zunächst sehr rational an die Dinge heran, informiere mich über alles – Mannschaft, Liga, System – und will nichts dem Zufall überlassen. Wenn es aber um die entscheidende Frage geht, „ja oder nein“, verlasse ich mich auf mein Bauchgefühl. Das hat mich noch nie im Stich gelassen. Und bei Arsenal wusste ich sofort: Es fühlt sich richtig an. Mein Gefühl hat mich auch diesmal nicht getäuscht. Ich habe eine schöne Wohnung gefunden, in der ich mich auf Anhieb daheim gefühlt habe. Der Betreuerstab war sehr umgänglich, die Mitspielerinnen haben mich unterstützt, genauso wie mein Cousin Sebastian (Anm.: Prödl), der die Stadt ja schon gut kannte, weil er seit 2015 bei Watford spielt. Es waren viele Faktoren, die mir den Start erleichtert haben. Und dann kam der Tag, der alles veränderte: Genau nach zwei Wochen Vorbereitung, im zweiten offiziellen Testspiel, kam ich kurz vor der Halbzeit vor der gegnerischen Stürmerin an den Ball. Ich hab einen Schritt gemacht, bin richtig reingestampft – und hatte plötzlich starke Schmerzen im Knie. Ich wusste, dass etwas passiert ist, hab mit einer Meniskusverletzung oder so etwas gerechnet. Als dann nach dem MRT die Diagnose „Knorpelschaden“ kam, war ich allerdings wie vor den Kopf gestoßen. Das saß! Die ersten Stunden waren nicht einfach, ich musste das Ganze erst einmal realisieren und für mich annehmen. Klingt einfach, ist es aber nicht. Ich habe in der Phase viel mit meinen Eltern geredet und hatte im Prinzip zwei Möglichkeiten. Entweder ich sitze jeden Tag zu Hause, weine und bemitleide mich selber. Dann würde es aber schwer werden, die Energie für die Reha aufzubringen. Oder ich finde einen Zugang, bei dem ich positiv bleiben kann und mein Glück nicht nur davon abhängig mache, wie es meinem Knie gerade geht. Ich habe mich für Zweiteres entschieden. Sooft es mein Reha-Zeitplan zuließ, bin ich nach London gefahren, war in Ausstellungen, in Museen und ich hab mir ein Fahrrad ausgeborgt, um durch irgendwelche Viertel zu radeln. Ich hatte ganz viel Besuch von Freunden und Verwandten, was mir vor Augen geführt hat, in welch glücklicher Situation ich mich eigentlich befinde. Und ich habe meine Speaker-Tätigkeit vorbereitet, mit der ich seit Juni am „Ich habe mich nach der Verletzung total auf London eingelassen.“ SPORTaktiv 133
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