OUTDOORGUIDE Zwischen BEQUEM und EXTREM KLETTERSTEIG. Der Hype um die Eisenwege ist ungebrochen. Aber warum ziehen Trittklammern und Fixseile so viele Leute in den Fels? Wir haben uns mit dem Klettersteig-Experten Axel Jentzsch- Rabl auf die Spurensuche gemacht. FOTOS: Axel Jentzsch-Rabl, Claudia Schmied 74 SPORTaktiv-OUTDOORGUIDE 2017
Der Trend zum Klettersteig ist ungebrochen. Jedes Jahr werden wieder neue Trittklammern in die Felsen geschlagen und Stahlseile befestigt. Die Lust am Steig steigt also weiter – nicht nur hierzulande. Im gesamten Alpenraum und sogar in Norddeutschland, einer Gegend, die man nicht unbedingt mit hohen Bergen verbindet. „Dort kauft oder pachtet der Alpenverein gerade Steinbrüche und baut dann Klettersteige“, sagt Axel Jentzsch- Rabl, der Klettersteig-Experte schlechthin und mit seinem Bruder Andreas Jentzsch Autor zahlreicher Fachbücher auf diesem Sektor. SCHNELLER ERFOLGE Interessantes hat Axel Jentzsch-Rabl auch unlängst in Italien entdeckt. Am Palmsonntag hat er sich wieder einmal in der Region um den Idrosee, einen kleineren See westlich des Gardasees umgesehen. „Dort ist in Casto ein Park mit 16 Klettersteigen in allen Schwierigkeitsgraden entstanden“, erzählt Jentzsch-Rabl. „Das hab ich in dieser Form im gesamten Alpenraum noch nirgendwo gesehen.“ Von einem großen Parkplatz aus gibt es im „Ferrata Casto“-Park Steige für Kinder, Ungeübte, Fortgeschrittene und Profis. Daneben fließt ein Bach und es lockt einen Badebereich. Und alles ist gratis. „Am Parkplatz gibt es einen Essensund Getränkestand, so finanziert sich der Klettersteigpark“, weiß Jentzsch-Rabl nach einem Gespräch mit den Betreibern. Den Bau hat die Stahlindustrie in Casto unterstützt. Warum ist das Klettersteiggehen so in Mode? „Weil du damit in Regionen vorstößt, in die du als normaler Wanderer sonst nicht kommst – sondern nur Kletterer“, glaubt Jentzsch-Rabl. Er selbst ist den umgekehrten Weg gegangen. „Anfangs haben mich als Kletterer die Steige gar nicht interessiert. Irgendwann haben wir sie dann zum Abstieg nach Klettertouren genützt“, sagt der gebürtige Niederösterreicher, der aufgrund seines Berufs längst in Tirol zu Hause ist. „Zum Teil führen Klettersteige sogar über Routen, die für Kletterer gar nicht machbar sind – das macht auch einen Teil der Faszination aus.“ Zur Beliebtheit der Sportart trägt Der Experte AXEL JENTZSCH-RABL, 48, aus Bad Häring (T) ist Autor und Herausgeber der umfassenden Klettersteigführer im heimischen Alpinverlag. WEB: www.bergsteigen.com sicherlich auch bei, dass man mit einer gewissen Grundfitness relativ rasch Erfolge erzielt. „Die ersten drei Schwierigkeitsgrade bis C bekommt man ziemlich schnell hin“, weiß Jentzsch-Rabl. Da ist keine Klettererfahrung vonnöten. Darüber hinaus kommt es darauf an, wie der Steig beschaffen ist. „Wenn keine Trittklammern im Steig sind, wird es schwieriger, da tut man sich mit Klettererfahrung schon leichter. Umgekehrt kann es aber auch sein, dass ein D-Steig für einen leicht Fortgeschrittenen schon zu gehen ist.“ Das Zusammenspiel von Action und Sicherheit, von Anspruch ohne Unüberwindbarkeit macht für den Experten insgesamt die Faszination Klettersteig aus – und ist für ihn der Grund für den Zustrom an die Felswände. Wiewohl sich schon immer wieder Leute überschätzen und sich durch die Tritte und dicken Stahlseile in einer sicheren Umgebung wähnen. „Zwar stürzen nur sehr wenige tatsächlich ab“, sagt Jentzsch-Rabl. „Dafür geht umso mehr Leuten gerade auf längeren Klettersteigtouren die Kraft aus. Die bleiben dann in der Wand hängen, lassen sich von der Bergrettung holen oder hoffen darauf, dass sie andere Leute aus dem Steig bringen.“ SCHNELLER, GEFÄHRLICHER Und bei den Abstürzen sind nicht die Anfänger die Gefahrengruppe, sondern die guten Geher. „In Lienz gibt es einen Steig, da werden regelrecht Rennen veranstaltet, wer schneller oben ist“, erzählt der Klettersteig-Experte. „Und Zeit zu gewinnen, hängen sich einige nicht korrekt ein.“ Oder ältere Kletterer verwenden Kletterseile statt der Klettersteigsets mit Bandseildämpfer – ein gefährliches Spiel. Sinnvoll für Novizen sieht Jentzsch-Rabl professionelle Einführungskurse, wie beispielsweise den „Klettersteigschein“-Kurs in der steirischen Ramsau. Neben der sicheren Handhabe der Klettersteigsets geht es auch um das Thema Selbsteinschätzung. Oder um den Zustieg: „Viele setzen den Helm zum Schutz gegen Steinschlag erst in der Wand auf. Oft ist man aber schon davor im Steinschlagbereich“, sagt Jentzsch-Rabl. (Tipp: Lies zum Thema Klettersteig-Sicherheit auch die Story auf S. 176/177.) STEIG IN DER STAUMAUER Die meisten verzichten aber auf professionelle Unterstützung und wagen sich so in die Wände, weiß der Experte. Klettergurt und Helm kann man sich ja schon vielerorts direkt bei den Steigen ausleihen. Das senkt die Hemmschwelle, es einmal zu probieren. So wie an einem der wohl spektakulärsten Klettersteige Österreichs, dem „Schlegeis 131“ im Tiroler Zillertal. Der wurde direkt an der Staumauer des Schlegeis-Stausees geschraubt und ist damit der erste seiner Art – weltweit. Für Kinder ist dieser Steig zwar nicht geeignet – generell kann aber auch der Nachwuchs schon mit dem Klettersteiggehen beginnen: Viele Steige sind von der Schwierigkeit her auf Kinder und Jugendliche ausgelegt. Bei der Ausrüstung kommt ihnen die neue Klettersteignorm entgegen, die seit Ende April gilt. Bislang waren Bandfalldämpfer nicht für leichte Personen oder Kinder ausgelegt. Auch schwere Personen über 80 Kilogramm sind im Grunde sprichwörtlich „aus der Norm gefallen“. NEUE STURZPRÜFUNG Die Sturzprüfung wird nun mit unterschiedlichen Gewichten, einmal mit 40, einmal mit 120 Kilogramm, durchgeführt. „Damit wird sichergestellt, dass alle Personen, die in diesen Gewichtsbereich fallen, ausreichenden Schutz vor zu großen Fangstößen haben“, sagt Doris Günther vom Klettersteigset-Hersteller Austri- Alpin aus Fulpmes im Stubaital (Details zur neuen Norm: siehe S. 88). 75
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