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SPORTaktiv Outdoorguide 2021

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Die Reise hat Jakob

Die Reise hat Jakob Horvat so tief mit der Natur verbunden wie nie zuvor. auf unsere Rucksäcke: Schau, wie gut es uns geht, dass wir diese Reise machen können, das größte Abenteuer unseres Lebens, für das wir ein Jahr Zeit haben. Da sind uns beiden die Tränen gekommen und wir hatten ein unglaubliches Glücksgefühl und gedacht: Das ist es. Die Frustration zu erleben, einen Weg heraus zu finden und stärker aus der Situation rauszugehen. Danach sind wir raus auf die Straße und glaub es oder nicht: 10 Minuten später hat uns wer mitgenommen. Dadurch bildet sich ein mentaler Muskel, der es einem ermöglicht, beim nächsten Mal noch einen größeren Schritt hinauszugehen aus der Komfortzone. Rückblickend gesehen waren das die einzelnen Schritte, die notwendig waren, damit ich überhaupt erst so was mache wie eine Atlantiküberquerung. Einem Lkw-Fahrer hast du gesagt: „Ich suche Abenteuer“. Hast du das Abenteuer gefunden oder hat das Abenteuer dich gefunden? Ich glaube, wir haben einander gefunden. Zunächst hab ich entschieden per Anhalter von Wien nach Amerika zu reisen und dann schauen wir weiter. Ich hatte sonst nichts geplant. Die Suche nach dem Abenteuer im Außen hat mich nach und nach auf ein Abenteuer im Innen geführt. Das war unerwartet und ungeplant und damit hat das Abenteuer auch mich gefunden, weil ich gelernt habe, mich drauf einzulassen. Durch Erfahrungen wie die Seekrankheit am Atlantik, die furchtbar war, hab ich zum ersten Mal in meinem Leben gelernt, mich einzulassen auf das, was gerade da ist. Auch wenn es unangenehm und schmerzhaft ist. Dadurch ist die Reise erst so verlaufen, wie sie verlaufen ist. Eine Reise, die auch einen ganz anderen Menschen aus dir gemacht hat. Die Tragweite habe ich da noch nicht so erfahren. Ich hab gewusst, da tut sich wahnsinnig viel und in einer Regelmäßigkeit, dass ich es gar nicht integrieren konnte. Ich hatte viele Tools noch nicht um diese Erfahrungen zu verarbeiten, wie die Meditation zum Beispiel. Durch die Atlantiküberquerung hab ich eine extrem tiefgründige Verbindung zur Natur erfahren, so tief wie nie zuvor. Ich hab mich und mein Leben der Natur anvertraut im wahrsten Sinne des Wortes. Ich hab vom Segeln nix verstanden, ich hab vom Boot nichts verstanden und den Kapitän kannte ich auch nicht. Also wem oder worauf vertraust du, um mit deinen Ängsten klarzukommen? Und da war plötzlich so ein Ur-Vertrauen ins größere Ganze, wie immer man das nennen möchte. Es war ein total faszinierendes Gefühl, weil auf einmal war die Angst weg und die restliche Atlantiküberquerung war nur noch eine einzige Faszination. Später dann im Amazonasregenwald hab ich Antworten bekommen auf die Frage, wem oder was ich mich da anvertraut hab. Und zwar? Die Antworten sind zu mir gekommen in Form der Pflanze Ayahuasca, die die Schamanen im Regenwald seit Jahrtausenden verwenden zur körperlichen, geistigen, seelischen Reinigung und auch um sich zu verbinden mit dem größeren 102 SPORTaktiv

Ganzen, mit der Natur, mit sich selbst. Eine krasse Erfahrung. Kurz erklärt: Es war eine Anbindung über das Tiefste in mir selbst an das Größte im Außen. Eine kleine Ameise klettert den Baum hinauf und du fühlst dich mit der Ameise so unglaublich verbunden. Menschen, die Tausende Kilometer weit weg sind, scheinen neben dir zu stehen – energetisch gesehen und du spürst wie alles mit allem verbunden ist und alles Negative fällt ab. Negative Gedanken, Selbstzweifel, alle diese mentalen Muster, in die man immer wieder hineinfällt – alles ist weg. Ich hab mir dann gedacht, wie ich dieses Potenzial, das da in mir ist, wecken kann, ohne dass ich Ayahuasca im Amazonasregenwald trinke. So bin ich zum Yoga gekommen, zur Meditation, in ein Zen-Kloster am Ende meiner Reise. Das waren alles Orte, die ich nie besucht hätte vor meiner Reise. Hast du durch diese Reise ein anderes Gefühl für den Zustand unseres Planeten bekommen? Ja. Ich gebe weniger Geld aus, bin Vegetarier geworden. Das Bewusstsein für den Zustand der Erde hat sich ziemlich verändert. Ich war in der Plastikwüste in Kolumbien, wo wahnsinnig viel Plastik ist. Wenn du mit den Menschen dort redest, haben die überhaupt keine Ahnung, wie schädlich das ist. Die trinken Salzwasser, weil sie kein sauberes Trinkwasser haben. So jemandem ist doch völlig egal, ob Plastik in der Wüste ist oder nicht. In Borneo war es ähnlich. Dort ist nur noch weniger als die Hälfte vom Regenwald übrig. Ich hab zehn Tage lang danach gesucht und keinen gefunden. Nur die Menschen dort suchen Jobs und die finden sie in der Kohle- und Palmöl-Industrie. Damit können sie ihre ganze Familie ernähren. Dass sie dafür ihre Insel und ihren Regenwald aufopfern, ist ihnen gar nicht bewusst. Wir in der sogenannten Ersten Welt haben die Verantwortung, Dinge zu verändern. Diese Länder schauen auf zu Europa und den USA. Die machen die Dinge haargenau gleich wie wir, weil sie auch in so einer Fülle leben wollen und dabei machen sie die gleichen Fehler wie wir. Darum muss man mit gutem Beispiel voranzugehen und sein eigenes Wirken in der Welt überdenken. Damit meine ich nicht nur, was kaufe ich ein, verwende ich Plastik, fahre ich Auto oder steige ich in einen Flieger. Das sind die oberflächlichen Dinge. Es beginnt mit dem inneren Zustand des Angebundenseins an die Natur. Jeder, der einmal auf einem Berggipfel gestanden ist, der weiß, wie sich das anfühlt, diese Verbindung zur Natur. Der wird nie auf die Idee kommen, dort Müll zu hinterlassen. Ich glaube, es beginnt mit dem inneren Bewusstseinswandel, der sich dann idealerweise ausbreitet, und nicht bei politischen Entscheidungen, dass wir nur noch Elektroauto fahren und nur so und so viel Plastik verwenden. Während der Reise, gab es nie das Gefühl, ich muss doch wieder zurück? Je länger diese Reise gedauert hat, desto mehr hab ich mich schon auf zu Hause gefreut. Auf einen geregelten Alltag, auf meinen Job, ich wusste, ich werde wieder Geld verdienen. Dass ich mich so dermaßen aufs Leben einlassen konnte, hatte auch damit zu tun, dass ich wusste, da ist noch das Sicherheitsnetz zu Hause. Auch wenn ich Sorge gehabt hab, dass sich das mit meinem Job nicht mehr so ausgehen würde. Ich hab ja so gut wie keine Nachrichten konsumiert in dem Jahr und schon gar keine aus Österreich. Dann komm ich heim und die FPÖ war plötzlich in der Regierung und Herbert Kickl Innenminister. Und alles, was ich über die Fremde, über Offenheit und Vertrauen gelernt hab, hat zu Hause überhaupt JEDER, DER EINMAL AUF EINEM BERG- GIPFEL GESTANDEN IST, DER WEISS, WIE SICH DAS ANFÜHLT, DIESE VERBINDUNG ZUR NATUR. WELTNAH heißt das Buch, das aus der Weltreise entstanden ist. Auf Instagram ist Jakob Horvat unter instagram/ jakob.horvat zu finden. Blog, Podcast, Coaching unter: thousandfirststeps.com www.jakobhorvat.com keine Gültigkeit gehabt. Das hat mich extrem überfordert. Nach kurzer Zeit in der Arbeit war klar, dass sich das nimmer lang ausgeht. Andere Gesichter, andere Namen, aber die Themen wie eh und je, keine Probleme gelöst, als wäre ich nie weg gewesen. Da ist einerseits ein Teil von mir zum Leben erwacht, der da nimmer reinpasst, andererseits muss ich schauen, wie schaffe ich jetzt diese Veränderung, die da innerlich in mir stattgefunden hat in der äußerlichen Welt, ohne alles vom Zaun zu brechen. Das hat mich ziemlich herausgefordert. Was war in Summe schwieriger? Das Losgehen oder das Heimkommen? Das Losgehen war schwieriger. Initial. Weil heimkommen war leicht. Im Flieger ankommen, von der Familie unter Freudentränen abgeholt werden. Und es schneit und du freust dich über jede Schneeflocke. Beim Losgehen waren da doch Angst, Zweifel, viele Fragen, was erwartet mich da. Ein, zwei Monate später dreht es sich aber. Dann war das Heimkommen langfristig sehr viel schwieriger, als das Auf-der-Reise-Bleiben. Wenn du einmal in den Flow gefunden hast, dass jeder Tag anders ist, und dich darauf einlässt, dann passieren viele Dinge von selbst. Zu Hause war das dann das genaue Gegenteil und ich hab mir oft gedacht, dass ich wieder weg will. Und so ist es letztlich auch gekommen. SPORTaktiv 103

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